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32 K.(u.)k. »going postcolonial«
[I]f […] the act of cultural translation (both as representation and as reproduction)
denies the essentialism of a prior given original or originary culture, then we see
that all forms of culture are continually in a process of hybridity. (Bhabha 1990 :
211)
Doch halten diese Feststellungen tatsächlich einer kritischen Betrachtung
stand ? Verhilft uns kulturelle Hybridität dazu, »dass wir uns nun alle verstehen«
und uns »gegenseitig erfolgreich übersetzen können« (Schirilla 2001 : 36) ? Kön
nen wir nicht mit Jan Nederveen Pieterse sagen : »Hybridität, na und ?« (Neder
veen Pieterse 2005). Nicht umsonst ist das Konzept der Hybridität in jüngerer
Zeit wiederholt kritisiert worden. Hybridität, so lauten die Argumente, sei ohne
Wurzeln, diene nur der Elite, reflektiere nicht die tiefer liegenden sozialen Rea
litäten (ibid.: 399) und impliziere reine Ursprünge. Nikos Papastergiadis geht
sogar so weit zu sagen, dass heute optimistische Sichtweisen der Hybridität vor
herrschten, die darin »lubricants in the clashes of cultures […,] the negotiators
who would secure a future free of xenophobia (Papastergiadis 1997 : 261) zu er
kennen glaubten. Im Folgenden soll beispielhaft das Argument der »reinen Ur
sprünge« herausgegriffen und damit auch wieder der Übergang zur Übersetzung
geschaffen werden. Die von Edward Said postulierte und bereits zitierte Be
hauptung, »[a]lle Kulturen sind hybrid, keine ist […] [rein] […], keine bildet ein
homogenes Gewebe« (Said 1997 : 37) wird u. a. von Terry Eagleton aufgegriffen,
der darauf hinweist, dass »Hybridisierung Artenreinheit voraussetzt. Streng ge
nommen kann man nur eine Kultur hybridisieren, die rein ist« ; er räumt jedoch
– wiederum mit Said – ein, dass »alle Kulturen miteinander verwoben [sind],
keine ist vereinzelt und rein, alle sind hybrid, heterogen, hochdifferenziert und
nicht monolithisch« (Eagleton 2001 : 26). Dem ist freilich entgegenzuhalten,
dass gerade aus historischer Sicht sogenannte »reine Ursprünge« und kultu
relle Bezüge mit Homogenitätsanspruch über Jahrhunderte die vorherrschende
Vorstellung waren : Patriarchalische Gesinnungen postulierten und postulieren
scharfe Grenzen zwischen Geschlechtern ; die aristokratische Sichtweise po
stulierte blaues Blut, die nationalphilologische Sichtweise sah mit Herder die
Sprache als Gefäß für das Genie der Völker, ganz zu schweigen von der »rassi
schen« Perspektive, die eine klar abgezirkelte Hierarchie von »Rassen« postu
lierte. Die Vereinnahmung von Sprache und kulturellen Artefakten für nationale
und nationalistische Belange ist hinreichend auch aus jüngster Vergangenheit
und aus unmittelbarer Nachbarschaft bekannt (Nederveen Pieterse 2005 :407).8
8 Auch Jean Fisher kritisiert, dass das Konzept der Hybridität mit »Ursprung« und »Erlösung«
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437