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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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»Polykulturelle Kommunikation« 89 keine anderen Möglichkeiten der Kommunikation. Dies ist vor allem in der von uns als »habitualisiertes Übersetzen« bezeichneten Kommunikationsform festzu­ machen. Dass dabei die Kompetenz der bi­ bzw. multilingualen SprecherInnen mitunter sehr stark schwankte, ist ein konstitutives Merkmal der hier diskutierten »polykulturellen Kommunikation«. Gleichzeitig sicherte die Erlernung der zwei­ ten (oder dritten) Sprache eine schnellere und bessere Integration in die urbane (Arbeits­ )Gesellschaft (»integrative Zweisprachigkeit«), wozu nicht zuletzt auch die Bemühungen der MigrantInnen, schon vor dem Arbeitsantritt bei Verwand­ ten Grundkenntnisse in der Zweitsprache zu erwerben, beitrug. In jedem Fall jedoch handelte es sich bei dieser Verständigungstechnik um den Typus einer asymmetrischen Zweisprachigkeit, die von den DienstbotInnen, Handwerkern und anderen im Rahmen eines hierarchischen Gefälles erlernt wurde. Die SprecherIn­ nen bedienten sich zumeist einer der in der Monarchie weniger prestigeträchtigen Sprachen, während die erlernte Sprache (zumeist Deutsch) – wenn auch unaus­ gesprochen – als »Staatssprache« angesehen wurde ; Rindler­ Schjerve bezeichnet diesen sprachlichen Zustand als »funktionale Asymmetrie« (1997 : 18), die die Herrschaftsstrukturen der involvierten Gruppen in der relevanten gesellschaftli­ chen Konstellation widerspiegelt. Die Beteiligung an Herrschaft und Macht ist demnach auch (bzw. gerade !) am Sprachgebrauch deutlich erkennbar. Wie erwähnt, kann Multilinguismus – zumeist subjektiv empfunden – zu umfassenden menschlichen Beziehungen, aber in Verbindung damit auch zu komplexen Denk­ und Bewusstseinsprozessen führen, die nicht nur in Macht­ strukturen zum Ausdruck kommen müssen. Wie etwa der Sprachphilosoph Fritz Mauthner anmerkt, empfand er den mehr oder weniger auf oktroyierter Mehrsprachigkeit beruhenden steten Wandel als Belastung : Jawohl, mein Sprachgewissen, meine Sprachkritik wurde geschärft dadurch, daß ich nicht nur Deutsch, sondern auch Tschechisch und Hebräisch als die Sprache meiner ›Vorfahren‹ zu betrachten, daß ich also die Leichen dreier Sprachen in meinen eigenen Worten mit mir herumzutragen hatte. (Mauthner 1918, zit. nach Csáky 1996 : 51)75 75 Auch George Steiner ist ein Produkt der habsburgischen Mehrsprachigkeit, wie er in Nach Babel erinnert : »Mein Vater stammt aus einer Gegend etwas nördlich von Prag und ist in Wien zur Schule gegangen. Der Mädchenname meiner Mutter, Franzos, verrät elsässische Abstammung. Aber die engere Heimat ihrer Familie war wohl Galizien. […] Ich bin in Paris geboren und dort und in New York aufgewachsen. Ich habe keinerlei Erinnerung an eine ›erste‹ Sprache. Soweit ich beurteilen kann, sind mir Englisch, Französisch und Deutsch gleich geläufig« (Steiner 1994 : 135).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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