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Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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»Polykulturelle Kommunikation« 91 Kommunikationsleistung, die wesentlich das Produkt der Konstituierung von Verständigungsprozessen bestimmt, ist das »habitualisierte Übersetzen« Teil je­ ner kulturellen Konfigurationen, die für multiethnische Räume charakteristisch sind und die durch ihre stets neuen Kontextualisierungen sowie vielfältige kul­ turelle Prägungen zur Verdichtung kultureller Zirkulationsprozesse in hohem Maß beitragen. Andererseits begünstigten bzw. förderten diese zu weiten Teilen fest in der lebensweltlichen Alltagspraxis verankerten Kommunikationsprozesse die für multiethnische Situationen konstitutiven Konfliktpotenziale, also alle im Zuge des Strebens nach Selbstverortung und damit einhergehender Ab­ und Eingrenzungshandlungen stattfindenden Spannungsmomente, die letztlich die hybride kulturelle Situation der gesellschaftlichen Befindlichkeit der Monarchie kennzeichnen. In relativ neutraler Form wird diese Übersetzungspraxis für die Habsburger­ monarchie von dem österreichischen Staatsmann Karl Renner geschildert : In einem Staate, den viele Nationen bewohnen, ist auch für solche, die keine öf­ fentliche Stellung bekleiden, der zwingende Antrieb zur Erlernung der zweiten Sprache, der faktische Sprachenzwang gegeben, so für Kaufleute, Handwerker, Ar­ beiter. (Renner 21918, zit. nach Hobsbawm 1996 : 114)76 »Habitualisiertes Übersetzen« wurde von einer Vielzahl von Menschen der Monarchie praktiziert, allen voran Dienstmädchen, Köchinnen, Wäscherinnen, Näherinnen, Prostituierte77, Diener, Handwerker, Kutscher, HauslehrerInnen, 76 Zur erfolgreichen Kommunikation zwischen den Mitgliedern der einzelnen ZuwandererInnen­ Familien und der Arbeitswelt, also gegenüber Arbeitgebern, Ämter und Behörden, übernahmen in einer ersten Phase oft die Kinder eine Dolmetschfunktion ; vgl. John/Lichtblau (1993 : 215). 77 So ist etwa ein Fall aus dem Jahre 1911 bekannt, als aus Graz zwei siebzehnjährige Frauen als Prostituierte nach Sarajewo vermittelt wurden (Rath 1996a : 116). In jüngster Zeit wurde auch der Mädchenhandel innerhalb der Habsburgermonarchie von der historischen Forschung bear­ beitet ; Schätzungen zufolge wurden um die Jahrhundertwende pro Jahr ca. 1.000 junge Frauen zumeist aus armen jüdischen Familien aus Galizien in andere Teile der Monarchie sowie nach Argentinien, Brasilien oder Indien geschickt, um dort als Prostituierte zu arbeiten (vgl. Staudacher 1990 : 97 ; Rath 1996b : 238 ; zu Details aus Galizien vgl. v.a. Pollack 2010). Einer rezenten Studie zur Prostitution in Wien zufolge stammten zahlreiche Prostituierte auch aus Wien oder aus dem Wiener Umland, »mithin das oft bemühte multiethnische Gemisch hier lediglich ein deutsch­ österreichisches und so gar nicht repräsentativ für das Vielvölkerreich der Donaumonarchie war«. Des Weiteren seien viele Prostituierte aus den angrenzenden Kronländern Böhmen und Mähren nach Wien gekommen (Jacono 2009).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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