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»Polykulturelle Kommunikation« 95
richtete sich nach den Erfordernissen und gewiss auch nationalen Einstellungen
der »Herrschaft«. Dienstmädchen fungierten auch als Dolmetscherinnen, wenn
die dienstgebende Familie innerhalb der Monarchie übersiedelte und dadurch
vor sprachliche Probleme gestellt wurde, wie dies im Fall der Frau Eleonora
Fanta belegt ist, deren Mann als Generalmajor von Wien nach Mostar versetzt
wurde und die ihre Kommunikationsprobleme im Alltag durch die sprachliche
Vermittlung ihres aus Wien mitgebrachten böhmischen Dienstmädchens Ma
riza zu lösen versuchte (Fanta 1947–1953 : 41). Eine ähnliche Situation wird von
der aus Steyr stammenden Köchin Marie Konheisner geschildert, deren Dienst
geber als Feldmarschallleutnant nach Herrmannstadt, Siebenbürgen, versetzt
wird. Die rumänisch deutsche Kommunikation zwischen dem Personal und
der »Außenwelt« läuft über einen »2. Diener«, der Sachse ist und dolmetscht
(Konheisner 1898–1929 : 45). In diesem Zusammenhang nicht zu unterschät
zen ist die Vermittlungsfunktion der Dienstmädchen und auch Kindermädchen
vor allem in ihrer Eigenschaft als unmittelbare Bezugspersonen der Kinder,
lernten doch manche Kinder der Dienstgeberfamilie nicht zuletzt aufgrund der
engen Beziehungen mit den weiblichen Dienstboten in Ansätzen deren Spra
che (Schroubek 1982 : 68). Schuchardt weist diesbezüglich auf die Bedeutung
der tschechischen Kindermädchen in Wien hin, wenn er von der Aufnahme
einer Reihe tschechischer Wörter in den Wiener Dialekt spricht, unter ande
rem Lescháck (»gesunder, wohl aussehender Mensch«) oder Schweráck (»Schelm«,
»Schalk«), was sich in Sätzen wie »das Kind sieht aus wie ein Leschack« oder
»der liebe kleine Schwerack« niederschlägt (Schuchardt 1884 : 66).
Auch die Rolle der »böhmischen Köchinnen« im Kommunikationsraum der
Habsburgermonarchie ist nicht zu unterschätzen – weder als Verursacherin viel
facher Gaumenfreuden noch als Mittlerin zwischen der dienstgebenden Familie
und den anderen Hausangestellten, denn die Köchin stand in der Hierarchie
der DienstbotInnen jeweils an der Spitze, was ihr zu Prestige und höherem
Einkommen verhalf, aber auch größere Verantwortung in Angelegenheiten des
sozialen Verhaltens abverlangte. Der »kulinarische Synkretismus« (Schroubek
1982 : 63) der durch die böhmische Köchin wesentlich geprägten Wiener Küche
kann somit durchaus auch auf ihre Urheberinnen übertragen werden.
Handwerker
Eine weitere, wenn auch bei Weitem nicht so umfangreiche Berufsgruppe, die
durch Migration eine zweite (oder dritte) Sprache erlernte und deren Vertre
ter – in geringem Ausmaß auch Vertreterinnen – so im Zuge ihrer Tätigkeit zu
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437