Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Page - 96 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 96 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918

Image of the Page - 96 -

Image of the Page - 96 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918

Text of the Page - 96 -

96 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie Ausübenden des »habitualisierten Übersetzens« wurden, sind Handwerker. Für den vorliegenden Kontext relevant sind demnach jene Handwerker, die als junge Gesellen nach ihrem Lehrabschluss im Zuge gesellschaftlicher Mobilität und Dynamik in die Fremde aufbrachen, um Arbeit zu suchen und Erfahrungen zu sammeln. Als ungefragt erforderliche Kommunikationsleistung ist diese meta­ phorische Form des Übersetzens für die verschiedenen lebenspraktischen Aus­ formungen der vielkulturellen Monarchie, vor allem im Hinblick auf die nicht durch Sesshaftigkeit ausgezeichnete Tätigkeit, kennzeichnend. Für viele begann die Fremde bereits in der unmittelbaren Nachbarschaft, wenn eine ethnische Grenze überschritten wurde oder wenn sie in eine größere Stadt kamen. Als Motivation für den Aufbruch zur Wanderschaft zeichnete der Drang, die eigene Lebenssituation zu verbessern sowie Lebenserfahrung und kulturelles Wissen zu akkumulieren, ebenso verantwortlich wie der Wunsch, sich neue Fachkenntnisse anzueignen ; dazu kam die auf Handwerker seit Jahrhunderten zutreffende Tra­ dition des Wanderns (Vošahlíková 1994 : 9). Ein Bedarf des Arbeitsmarktes an flexiblen Arbeitskräften war demnach ebenso ausschlaggebend für die kulturelle Praxis der Handwerkermigration wie der Bildungs­ und Reisewillen der Gesel­ len.83 Als Phänomen räumlicher Mobilität fand Migration zumeist innerhalb komplexer sozialer Netzwerke statt, die aus verwandtschaftlichen, beruflichen, religiösen und vor allem nachbarschaftlichen Beziehungen zusammengesetzt waren. Die Verständigungsprozesse innerhalb dieser Netzwerke können als kon­ stitutiv für die Migrationsbewegungen angesehen werden und bilden den Rah­ men für die verschiedenen Ausformungen des »habitualisierten Übersetzens«. Vor allem lebensgeschichtliche Zeugnisse geben Aufschluss über Ausmaß und Beschaffenheit der kulturellen Praxis der Migration in ihrem »übersetze­ rischen« Kontext. In manchen dieser Beschreibungen ist etwa explizit von ei­ ner aus der Wanderschaft resultierenden Horizonterweiterung die Rede : »[Die Reise] verhalf uns zu einem breiteren Horizont, wir machten wertvolle Erfah­ rungen und lernten viele Länder und deren Lebensweisen kennen« (Leden 1994 : 262). Und so bemühte sich auch der junge, 1892 in Mähren geborene Jan Kotal um eine Lehrstelle in Niederösterreich, um gemeinsam mit einem Hand­ werk – welches, war zu diesem Zweck von zweitrangiger Bedeutung – Deutsch zu lernen, hatte ihm doch sein Vater gesagt : »Wenn ich Deutsch gekonnt hätte, 83 Die vorliegenden Bemerkungen über die »übersetzerische« Dimension der Migration wären im Detail vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen, ökonomischen bzw. rechtlichen Dimensi­ onen zu beleuchten. Vgl. zum jüngsten Forschungsstand der historischen Migrationsforschung vor allem Steidl (2003).
back to the  book Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918"
Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die vielsprachige Seele Kakaniens