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108 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
anstehenden Beförderung angehalten, sich binnen drei Jahren die Sprache(n)
des Regiments anzueignen.98
Ein Vergleich der Nationalitätenstatistiken von Heer und Marine spiegelt
die Tradition der nationalen Zusammensetzung deutlich wider, wie in Tabelle
5 ersichtlich ist.
Nationalität 1885
Seeoffiziere 1910
Seeoffiziere 1910
Armeeoff. 1885
Mannschaften 1910
Mannschaften 1910
Gesamtbev.
Deutsche 45,0 51,0 78,7 7,9 24,5 25,2
Italiener 9,7 9,8 0,7 32,0 18,3 7,6
Kroaten u.
Serben 0,3 9,8 2,4 44,9 29,8 7,0
Magyaren 14,7 12,9 9,3 5,6 12,6 23,1
Polen 4,0 2,8 2,699 0,5 1,0 7,9
Slowenen 4,0 4,2 0,5 4,6 3,6 2,4
Tschechen 12,3 9,2 4,8 4,5 7,1 12,9
99
Tabelle 5
Nationalität der Seeoffiziere und Mannschaften der Jahre 1885 und 1910, Angaben in Prozenten
(Höbelt 1987 : 745)
98 Zu den Sprachkenntnissen der k. u. k. österreichisch ungarischen Armee im Jahre 1880 vgl. Goebl
(1997 : Fig.5 und 6, Anhang), sowie Déak (1991 : 123). Zeitgenössische Quellen geben an, »fast
alle Officiere […] haben Ohr und Zunge an ein slavisches, das ungarische oder italienische Idiom
gewöhnt ; die Erlernung einer Regimentssprache […] wird ihnen also keine großen Schwierig
keiten bereiten« (N. [sic] 1862 : 366f.) und gehen damit von einer Mehrsprachigkeit der Offiziere
aus. Friedrich Torberg lässt in Die Tante Jolesch den deutschen General Erich Ludendorff zu Wort
kommen, dem rückblickend die Vielsprachigkeit der Habsburgerarmee gleichsam als »schwerer
Defekt«, wenn nicht als »Verrat« erschien : »›Da inspiziere ich in Russisch Polen die österrei
chische Front – will in einer der Stellungen eine Ansprache an die Soldaten halten – verstehen
die doch kein Wort. Lauter Ungarn. Ich setze meine Inspektion fort – lasse mir in die nächste
Stellung einen ungarischen Dolmetsch kommen – wieder nichts. Lauter Kroaten. Kroatischer
Dolmetsch in die nächste Stellung – lauter Tschechen. Tschechischer Dolmetsch –‹. Jetzt konnte
Tschuppik, der auf seinem Sessel immer nervöser hin und hergerutscht war, seinen Unmut nicht
länger zurückhalten : ›Aber Exzellenz !‹ unterbrach er. ›Daß in der alten Monarchie verschiedene
Sprachen gesprochen wurden – das hätte doch der deutsche Generalstab durch Spione feststellen
können !‹« (Torberg 2002/1975 : 131).
99 Déak gibt hier die Zahl 2,5 an (siehe Tabelle 4). Mit der Bezeichnung »Berufsoffiziere« scheint
sich Déak in Anbetracht der Übereinstimmung zwischen den von Déak und von Höbelt angege
benen Zahlen lediglich auf »Armeeoffiziere« und nicht auf »Seeoffiziere« zu beziehen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437