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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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122 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie tete, wenn sie gezwungen sei, slowenische Eingaben anzunehmen, müsse sie einen Dolmetscher anstellen oder zumindest von einigen der Konzeptbeam­ ten die Kenntnis des Slowenischen in Wort und Schrift verlangen. Aus diesem Grund »hat [die Stadtgemeinde] ein berechtigtes und großes Interesse daran, daß diesem ersten Versuche, den slovenischen Zankapfel in die Stadt zu werfen, auf das Entschiedenste entgegengetreten werde«. Das Innenministerium ging in seiner Entscheidung davon aus, dass die slowenische Sprache in Kärnten im Allgemeinen und in Klagenfurt im Besonderen eine landesübliche sei, nach­ dem 3,5 % der einheimischen Bevölkerung von Klagenfurt sich dieser Sprache als Umgangssprache bedienten. Die Stadtgemeinde von Klagenfurt war jedoch über die Sprachkenntnisse und die Sprachpraxis ihrer EinwohnerInnen völlig anderer Ansicht und behauptete, »daß in Klagenfurt nicht bloß in öffentlichen, sondern auch in privaten, ja sogar im Familien­ Verbande nur die deutsche Spra­ che als Umgangssprache benützt wird«. Sie ging sogar so weit zu behaupten, dass niemand in Kärnten Slowenisch spreche, »nur Einwanderer aus Unterstei­ ermark und Krain versuchen sich in derselben, werden aber von ihren eigenen Connationalen weder verstanden noch geachtet«. Ein interessantes Detail dieses Aktes sind die Glossen, die mit Bleistift über den Akt verstreut offensichtlich von dem/den mit dem Fall befassten Beamten angemerkt wurden,120 wie etwa neben der von der Stadtgemeinde Klagenfurt formulierten Passage »[Wenn der Eingabe in slowenischer Sprache stattgegeben würde] würde einer Agitation die Thüre geöffnet, durch welche nationale Hetzboten der Nachbarländer […] end­ lose Streitigkeiten ins Land tragen würden«. Ein Beamter hatte dort in zarten Buchstaben vermerkt : »das gerade Gegentheil« (AVA, 3, Karton 327, Zl. 25881/ 90).121 Aus einem Erlass des k.k. Ministeriums des Inneren vom 6. März 1907 an die k.k. Statthalterei in Graz geht hervor, dass dem Gemeindevorsteher von Globoko im Bezirk Rann (= Brežice an der Save) in der Untersteiermark nicht Recht gegeben wurde, als dieser gegen eine in deutscher Sprache vorgebrachte Eingabe Beschwerde einlegte. Die Begründung des Erlasses lautete, dass trotz des Beschlusses des Gemeindeausschusses, sich lediglich einer der landesübli­ chen Sprachen zu bedienen, der Artikel 19 zum Tragen komme, weil »im politi­ 120 Bis 1914 ist die Person des Verfassers von Schriftstücken (und damit auch derartiger Vermerke) nur durch die Bestimmung der Handschriften zu ermitteln. Zuweilen wurde ein und dasselbe Konzept von mehreren Händen korrigiert und auch die Bearbeitung von mehreren Konzipisten besorgt (vgl. Wiedermayer 1931 : 139). 121 Vgl. zum vorliegenden Fall auch Stourzh (1980 : 1086).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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