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150 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
Das Redaktionsbureau des Reichsgesetzblattes
Historischer Überblick147
Mit dem kaiserlichen Patent vom 4. März 1849 war auch die Errichtung eines
»k.k. Redaktions Bureau[s] des Reichs Gesetz und Regierungsblattes« be
stimmt worden.148 Per Allerhöchster Entschließung vom 14. Mai 1849 bewil
ligte der Kaiser in der Folge einen Antrag von Justizminister Bach, mit dem die
Einsetzung dieses Büros im Detail geregelt wurde. Demnach sollte pro Sprache
ein Translator/Redakteur bestellt werden, der neben guten Sprachkenntnissen
über Rechtskenntnisse verfügen sollte ; jedem Redakteur sollte zur Überprüfung
der Übersetzungen ein zweiter Gesetz und Sprachkundiger zur Seite gestellt
werden (»Kontrollredakteur«). Zu diesem Zweck war geplant, dass der Personal
stand des Justizministeriums, dem das Redaktionsbureau bis 1863 zugeordnet
war, um zehn Konzeptsbeamte und zwei Kanzleibeamte erhöht werden sollte ;
damit der Staatsschatz nicht übermäßig belastet werde, könnten die restlichen
Redakteure aus anderen Ministerien herangezogen und für ihre Leistungen ex
tra bezahlt werden. Eine detaillierte Aufstellung der Zusammensetzung des Re
daktionsbureaus im ersten Jahr seines Bestehens zeigt, dass in »systemisierter«
(pragmatisierter Beamten )Position vier Redakteure angestellt waren, und zwar
für die deutsche Sprache Dr. Franz Wagner, für die tschechische Dr. Anton
Beck, für die italienische Josef Ritter von Maffei, und für die kroatische Božidar
Petranović, weiters sechs »remunerierte [= provisorisch angestellte] Redakteure«
in den Sprachen Tschechisch (Antonín Rybička), Ungarisch (Josef Somossy),
Polnisch (Marcell Kawecki), Ruthenisch (Julius Wysłobocki), Slowenisch
(Franjo Miklošič) und Rumänisch (Vinzenz Babesch) ; zusätzlich werden insge
samt neun Mit und Kontrollredakteure angeführt.
147 Der Skizzierung dieses Überblicks liegt der Faszikel über die »Geschichte des Redaktionsbureaus
des Reichsgesetzblattes 1849–1870« zugrunde (vgl. AVA, 40/1, Karton 2788, Zl. 10546/911). Zu
einem Nachschlageregister des Reichsgesetzblatt vgl. Barth (1916).
148 Alois Šembera, von 1849 bis 1882 Redakteur des Reichsgesetzblattes für die böhmische Sprache,
hatte bereits 1848 in Prag einen Artikel veröffentlicht, in dem er im Rahmen seiner Tätigkeit als
Landestranslator auf die Divergenzen beim Übersetzen von Gesetzestexten aufmerksam machte,
die sich aus verschiedenen Auslegungen von Translatoren ein und derselben Texte in Brünn und
in Prag ergaben. Im selben Artikel schlug er die Errichtung eines »Zentralübersetzungsbüros« in
Wien vor. Laut Šemberas Ansicht soll dieser Artikel in weiterer Folge als einer der Impulse für
die Errichtung des Redaktionsbureaus gegolten haben (AVA, 40/1, Karton 2788, Zl. 10546/911,
Beilage I).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437