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»Polykulturelle Translation« 171
wie etwa Gustav von Ohms, der während seiner Laufbahn aus und in 13 Spra
chen übersetzt und seine Departementsprüfung im Jahr 1871 aus 15 Sprachen
abgelegt hatte (vgl. HHStA, Administrative Registratur, Fach 4, Karton 428,
22.2.1896), oder Joseph Schneid, der in 19 Sprachen arbeitete (Hubatschke
1975a, 5 : 1320). Auffallend ist hier wie auch in anderen Ministerien, dass für
die translatorische Arbeit zwar überdurchschnittliche »linguistische« Kennt
nisse und hohes Fachwissen erforderlich waren, jedoch wurden die sprach und
kulturmittlerischen Kompetenzen nie erwähnt.
Die vorrangigen Aufgaben des »Departements für Chiffre und translatorische
Arbeiten«, das Dechiffrieren und Übersetzen von Schriftstücken, wurde von den
Beamten der Abteilung auch für andere Amstsstellen, auch außerhalb der Resi
denzhauptstadt, besorgt. Im Besonderen sind die verschiedenen Ministerien, Ge
richte, Botschaften, Magistrate oder Statthaltereien zu nennen. Viele der Bitten
um Übersetzungen für den inneramtlichen Verkehr wurden damit gerechtfertigt,
dass gerichtlich beeidete Dolmetscher aufgrund von Krankheiten oder Urlaub
nicht in ausreichendem Maß vorhanden waren. In den meisten Fällen handelte
es sich somit nicht um das Dechiffrieren von Telegrammen, sondern um die –
zum Teil zu beglaubigende – Übersetzung von Schriftstücken. Beispiele dazu
sind in den Archivakten zu Dutzenden nachzulesen, wie etwa eine Anfrage des
Kriegsministeriums vom 18.2.1874, mit der die Abteilung darum ersucht wird,
einen Brief aus Cartagena zu dechiffrieren und anschließend »eine authentische
Übersetzung in die deutsche Sprache« anzufertigen (HHStA, Administrative
Registratur, Fach 4, Karton 404, ohne Zl., 18.2.1874). Das Landesgericht Wien
bat mit Schreiben vom 26.2.1874 um eine Übersetzung aus dem Holländischen
mit der Erklärung, dass zwei Dolmetscher ausgefallen waren (ibid., Zl. 3189/II),
die Schlesische Statthalterei in Teschen ersuchte am 22.10.1879 um die Über
setzung eines Protokolls aus dem Russischen ins Deutsche (ibid., Zl. 18699/2),
die Niederösterreichische Statthalterei in Korneuburg am 13.1.1879 um die
Übersetzung einer dänischen Zuschrift bezüglich eines Inhaftierten (ibid., Zl.
I 1211/2), die Landesregierung Salzburg erbat per 14.1.1879 die Übersetzung
einer rumänischen Zuschrift der Stadtgemeinde Galatz (ibid., Zl. I 1101/2). Alle
diese Zuschriften wurden mit einem Vermerk eines offensichtlich leitenden Be
amten versehen »mit der Bitte um gefällige Anfertigung der gewünschten Über
setzung« ; zumeist mit gleichem Datum oder ein bis zwei Tage danach erfolgte
die Rücksendung der Übersetzung durch einen Mitarbeiter der Chiffreabteilung
mit dem Vermerk »Die gewünschte Übersetzung folgt nebst dem Original im
Anschluß bei« (ibid.). Die Übersetzungen wurden fast ausnahmslos aus zahlrei
chen Sprachen mit der Zielsprache Deutsch angefordert. In vielen Fällen wur
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437