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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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174 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie abteilung führt zumindest ab dem Jahr 1914 einen Posten mit der Bezeichnung »Dolmetschergruppe« (Ronge 1930 : 378). Wie weit es sich dabei tatsächlich um – wie immer – ausgebildete Dolmetscher handelte bzw. ob sich die Mit­ arbeiter dieser Gruppe hauptberuflich ihrer Tätigkeit widmeten, bleibt freilich ungeklärt.165 Das Evidenzbureau geht auf eine »Evidenthaltungsabteilung« aus dem Jahre 1802 zur Sammlung aller Nachrichten, die auf militärische Dinge des Auslands Bezug nahmen, zurück und wurde 1850 in der Kundschaftssektion des Kriegsministeriums als »Evidenzbureau« institutionell verankert. Seine Aufgabe war, eine Übersicht über die Wehrkräfte im Ausland zu verschaffen, militärische Kundschaftsbüros in den Grenzprovinzen auf­ bzw. auszubauen (dazu gehörte neben der Anwerbung auch die Instruktion der Kundschafter) und die gewon­ nenen Informationen koordinierend zu bündeln bzw. zur weiteren Verwendung aufzubereiten. Ab den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts wurden die Agen­ den dahingehend ausgebaut, dass neben dem »Offensiven Kundschaftsdienst«, also der militärischen Spionage, der »Defensive Kundschaftsdienst«, die Spio­ nageabwehr, etabliert wurde (vgl. Pethö 1998 : 14f.). Dass für diese Tätigkeiten Personal mit profunden Sprachkenntnissen vonnöten war, liegt auf der Hand ; doch gerade dies scheint, wie auch anderswo, eines der permanenten Probleme des Evidenzbureaus gewesen zu sein. Dem Mangel an Russisch sprechenden Generalstabsoffizieren, die für Kundschaftszwecke eingesetzt werden sollten, wurde z. B. abgeholfen, indem ab 1890 jährlich zwei Offiziere zu Sprachstudien ins Russische Reich nach Kasan an der Wolga geschickt wurden. Ab 1903 lie­ ßen die Russen im Gegenzug einzelne Offiziere in Linz Deutsch lernen. 1912 waren im Evidenzbureau 28 Offiziere beschäftigt, Mitte 1914 bereits 42. Wie umfangreich die Sprachkenntnisse der Mitarbeiter sein mussten, ist allein durch die Tatsache zu belegen, dass täglich im Evidenzbureau etwa 70 ausländische Zeitungen gelesen und nach relevanten Informationen ausgewertet werden mussten. 165 Die einschlägigste Quelle zum Evidenzbureau, Kriegs- und Industriespionage (Ronge 1930), ist insofern subjektiv eingefärbt und mit einiger Skepsis zu lesen, als der Verfasser zwölf Jahre, nach­ dem er seinen Dienst als Chef der kaiserlichen Militärspionage und damit Leiter des habsbur­ gischen Evidenzbureaus quittiert hatte, das Buch schrieb. Die Biografie zu Maximilian Ronge (Moritz/Leidinger/Jagschitz 2007) liefert weiteren Details über die Tätigkeit des Evidenzbueaus. Eine der jüngsten Publikationen, in deren Zentrum die Tätigkeiten des Evidenzbureaus stehen, ist Albert Pethö Agenten für den Doppeladler (Pethö 1998), der sich jedoch in seinen spezifischen Beschreibungen zum Evidenzbureau hauptsächlich auf Ronge stützt. Zu den verschiedenen Lei­ tern des Büros von 1850 bis 1918 vgl. Pethö (1998 : 16f.). Zum Marine­ Evidenzbureau, das ab 1902 in Pula/Pola stationiert war, vgl. ebenso Pethö (1998 : 84–100).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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