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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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»Polykulturelle Translation« 175 Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Aktivitäten des Evidenz­ bureaus um ein Vielfaches verstärkt, und es bestand ein immenser Bedarf an Dolmetschern : Das vermehrte Abhören von Telefonen, das Bespitzeln (»Be­ horchen«) der Kriegsgefangenen und der Dienst in den Kriegsgefangenenla­ gern machte den Einsatz vieler sprachkundiger Mitarbeiter erforderlich. Mit­ telmäßige Sprachkenntnisse reichten nicht aus, gesucht wurden Männer, die einschließlich der Dialekte in den verschiedenen Sprachen diese exzellent zu beherrschen und auch am Telefon mitschreiben konnten. Für die Verhöre von Kriegsgefangenen und Überläufern, eine besonders heikle Aufgabe, die vor al­ lem psychologisches Geschick erforderte, wurde der Einsatz von Kundschaftern gefördert, die die jeweilige Sprache besonders gut beherrschten, um auf den Dienst von Dolmetschern verzichten zu können. Diese würden, so die Befürch­ tung, den direkten Kontakt zwischen Kundschafter und Befragtem behindern (Hutterer 1970 : 40). An der italienischen Front waren im April 1918, um nur ein Beispiel zu geben, 220 Offiziere und 1.000 Mann im Dolmetschdienst tätig,166 was der Leitung des Evidenzbureaus ein hohes Maß an strategischer Koordination abverlangte, mussten doch nun Dolmetschspezialkurse eingerichtet und ge­ eignete Leute in sachbezogenen Dolmetschergruppen gesammelt werden. Die kriegsbedingten Verhältnisse ließen die Leitung des Evidenzbureaus die Män­ gel im eigenen Dolmetschwesen zur Gänze erkennen und veranlassten sie, im späteren Kriegsverlauf ständige Dolmetschausbildungen einzurichten (Ronge 1930 : 20, 273). So wurde nicht nur in verschiedenen Armeekommandos ein Sprachunterricht für Dolmetscher eingerichtet, wie etwa bei der Nachrichten­ stelle des Militärkommandos in Graz bzw. eine eigene Dolmetschausbildung in Italienisch, Englisch und Französisch beim Heeresgruppenkommando in Tirol, sondern auch eine Dolmetschschule in Wien. Diese Dolmetschschule wurde ebenso von einem hochrangigen Offizier geleitet wie alle anderen militärischen Dolmetschausbildungsstätten, wobei die Offiziere neben »Französischem Dol­ metschwesen« oder »Italienischem Dolmetschwesen« auch noch verschiedene militärische Fächer unterrichteten. Besonders schwierig stellte sich die Sache für Dolmetschungen aus dem Russischen dar, da zumeist die Sprachkenntnisse nicht ausreichend waren und Russisch innerhalb der Monarchie hauptsächlich von Ruthenen gesprochen wurde, die jedoch oft als russophil galten und als nicht verlässlich eingestuft wurden. Im Sommer 1917 wurde in Lemberg ein 166 Für die Rückeroberung von Galizien im Jahr 1915 waren 42 Dolmetscher und Nachrichtenoffi­ ziere erfolgreich eingesetzt (Fuchs 1994 : 96).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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