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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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190 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie ders kennzeichnend, die in ihrem Zusammenspiel das komplexe Gefüge des plurikulturellen Kommunikationsraumes widerspiegeln und gleichzeitig seine Konfliktpotenziale freilegen : Erstens sind es die nationalitätenbezogenen Span­ nungen, die allen Translationstypen vor allem ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eingeschrieben sind und in unterschiedlichem Ausmaß die Tätig­ keit des Übersetzens wie auch Dolmetschens entscheidend beeinflussen. Bei der Betrachtung der jeweiligen Einflussfaktoren ist vor allem der jeweils gültigen Gesetzgebung Rechnung zu tragen, die sukzessive den in Artikel 19 festgelegten Gleichheitsgrundsatz der Nationalitäten durchzuführen trachtete und damit zur Verringerung bi­ und multilingualer Kommunikationssituationen in der Monar­ chie beitrug. Auf diese Weise wurde eine vermehrte Translationstätigkeit erfor­ derlich, die zum Teil wiederum von nationalistischer Seite vereinnahmt wurde ; siehe etwa das erwähnte Beispiel aus Galizien, wo aufgrund der schleppenden Durchführung einer Verordnung aus dem Jahr 1869, nach der alle Beamten Polnischkenntnisse aufzuweisen hätten, die nationalistische Presse die Zentral­ regierung in Wien aufforderte, schleunigst Translatoren aufzunehmen, um alle nicht übersetzten Aktenstücke endlich aufzuarbeiten. Auch der hier untersuchte gegen Ende des Jahrhunderts verstärkte Einsatz beeideter Dolmetscher ist ein Indiz für die bedeutenden Auswirkungen dieser gesetzlichen Bestimmungen. Es ist somit Reine Meylaerts zuzustimmen, wenn sie der Übersetzung in explizit mehrsprachigen Geesellschaften einen ambivalenten Status zuweist : »[A]s an institutional phenomenon, translation has a very ambivalent function in mul­ tilingual societies : it both allows and annihilates multilingualism« (Meylaerts 2006 : 3). Die bereits angesprochene Situation der Zwei­ und Mehrsprachigkeit, die, wie im Detail ausgeführt wurde, vielen Translationsprozessen zugrunde liegt, ist in weiterer Folge ein wesentliches zweites Merkmal der Übersetzungs­ und Dolmetschtätigkeit und kann für diese als konstitutiv bezeichnet werden. Dies gilt freilich nicht für alle territorialen Räume bzw. sozialen Felder und ist von der jeweiligen Ausgangslage bzw. vom situativen Bedarf abhängig. Tatsache ist, dass die Bi­ und Multilingualität vieler BewohnerInnen der Monarchie dort, wo translatorische Leistungen erfordert waren, diese als selbstverständlich vor­ aussetzte und die Herausbildung qualitativ hoch stehender und professioneller Translatorentätigkeit verhinderte, was durch die in weiten Teilen der Verwal­ tungsbehörden nur zögerliche Wahrnehmung translatorischer Defizite direkt und indirekt unterstützt wurde. Damit ist das dritte Merkmal der habsburgischen Translationsarbeit bereits angesprochen, das jedoch zumindest vordergründig am schwächsten ausgeprägt
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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