Page - 213 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von Positionierungskämpfen 213
immer größerer Vielfalt für Übersetzungen angeboten werden. Die Information,
dass der Übersetzer als Mitarbeiter bei der Redaktion des Französischwörter
buchs Sachs
Villatte mitwirkte (Bertrand Walko, 1902), gilt gleicherweise als
inkorporiertes Kulturkapital.
Ebenso als Ergebnis von Bildungsprozessen und damit inkorporiertes kul
turelles Kapital ist die Berufsausbildung der Übersetzer zu interpretieren.
Translationsrelevante Berufsbezeichnungen mehren sich ab der Jahrhundert
wende und sind besonders vielfältig. Am häufigsten bezeichnen sich die Über
setzer als »Translator« (20 Mal, ab 1897), gefolgt von »Gerichtsdolmetscher«
(15, ab 1905) und »Gerichtsdolmetscher und Translator« (13, ab 1906). Mit
»Dolmetsch« benennen sich 13 Translatoren (ab 1908), »Amtstranslator«, »di
plomierter Übersetzer« und »Linguist« scheint je einmal auf. Aufgrund des
Fehlens genauerer Daten ist nicht eruierbar, welche Ausbildung diesen selbst
verliehenen Berufsbezeichnungen zugrunde liegt, einzig im Falle zusätzlicher
Angaben wie »Professor an der Handelsakademie« ist auf eine philologische
Ausbildung zu schließen. Die mit weiteren einschlägigen Informationen wie
die erwähnte Internationalität oder die Auffächerung in zahlreiche Fachgebiete
einhergehende Konzentration auf translationsrelevante Berufsbezeichnungen
ist, wie zu sehen sein wird, vor allem im Zusammenwirken mit anderen Kapi
talsorten von vorrangiger Bedeutung für die Positionierung der AkteurInnen im
Vermittlungsraum.
Als personengebundene Kapitalform ist das hier in Form von translations
bezogenen Berufsangaben zum Einsatz gebrachte inkorporierte kulturelle Ka
pital eng mit dem Habitus verknüpft, da es als Ergebnis der verinnerlichten
Kompetenzen der jeweiligen AkteurInnen gilt. Simeoni bezeichnet den Ha
bitus von ÜbersetzerInnen historisch bedingt als tendenziell unterwürfig und
versucht damit den niedrigen Status des Berufsstandes zu erklären (Simeoni
1998 : 11). Wie weit dies im vorliegenden Fall auf die hier tätigen ÜbersetzerIn
nen zutreffend ist, kann im Einzelnen nicht festgestellt werden, doch scheinen
die von Simeoni ins Treffen geführten Argumente vor allem hinsichtlich des
submissiv normativen Verhaltens der TranslatorInnen aufgrund der im relevan
ten Zeitraum noch wenig fortgeschrittenen Etablierung des privaten Überset
zungssektors im Vermittlungsraum hier nicht zum Tragen zu kommen. Es kann
deshalb davon ausgegangen werden, dass der im Untersuchungszeitraum vor
herrschende Habitus der ÜbersetzerInnen im Schnittpunkt zwischen sozialer
Praxis der AkteurInnen und der Sozialstruktur des Feldes von dem Kampf um
die Etablierung im Vermittlungsraum und damit durch den verstärkten Einsatz
aller zur Verfügung stehender Kompetenzen bestimmt ist.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437