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278 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
nicht wieder geöffnet zu werden. Gleichzeitig wurden die italienischsprachigen
Vorlesungen an der Innsbrucker Universität ausgesetzt. Nach diesen Rückschlä
gen wurde die Universitätenfrage im Reichsrat eingehend diskutiert und auch
die Öffentlichkeit in zunehmendem Maß dafür sensibilisiert, umso mehr, als
sie nun verstärkt im Zusammenhang mit dem gesamten Nationalitätenproblem
gesehen wurde. Mit dem Schlagwort »Trieste o nulla« gewann die Triestiner
Lösung einer eigenen Universität wieder an Bedeutung, und nach zahlreichen
weiteren Unruhen in Graz, Innsbruck und Wien beschloss der Budgetausschuss
des österreichischen Abgeordnetenhauses im Februar 1913 mit 30 gegen 4 (slo
wenische) Stimmen die Errichtung einer italienischen Rechtsfakultät in Triest,
die ihre Tätigkeit mit Wintersemester 1915/16 aufnehmen sollte. Der Ausbruch
des Weltkrieges verhinderte dies jedoch (Veiter 1965 : 26f. und Pichler 2000 :
166f.).
Die angespannten politischen Verhältnisse zwischen der deutschzentrierten
Zentralregierung und den italienischsprachigen Gebieten innerhalb der Mon
archie einerseits und in späterer Folge bzw. zusätzlich zwischen Österreich und
dem neu gegründeten Staat Italien andererseits waren in zunehmendem Maß
auch für die gegenseitige literarische Wahrnehmung von entscheidendem Ein
fluss. Dieses Thema wurde von der Literaturkritik bisher eher mit Nachlässig
keit behandelt – ganz im Gegenteil zu den literarischen Beziehungen zwischen
Deutschland und Italien, die über Epochen und Genres hinweg relativ gründlich
erarbeitet sind (vgl. etwa Kleszewski/König 1990, Arend Schwarz/Kapp 1993,
Arend 1997 oder Hausmann 1996).245 Auf Österreich bezogen wurde das Thema
lediglich punktuell, auf verschiedene Gattungen, lokale Räume und Epochen
beschränkt, abgehandelt, wie etwa in Bezug auf das Theater (Kanduth 1997)
oder auf die Rezeption von Venedig in der österreichischen Literatur (Giu
bertoni 1983). Was fehlt ist eine gründliche Aufarbeitung der sich in den Tex
ten und Paratexten manifestierenden österreichisch italienischen Beziehungen,
die vor dem Hintergrund der Diskussion der historischen Wechselbeziehun
gen den gegenseitigen Wahrnehmungen in literarischer Hinsicht gerecht wer
den könnte. Die zögerliche Bearbeitung dieser Beziehungen ist mit Sicherheit
auf die über lange Zeit hinweg von politischen Feindbildern gekennzeichneten
österreichisch italienischen Beziehungen zurückzuführen, wobei festzustellen
ist, dass diese in der umgekehrten Konstellation – Rezeption österreichischer
245 Vgl. dazu auch die Publikationsliste des Centro per gli Studi Storici Italo Germanici (2011), Trento,
die sich auf historische Veröffentlichungen konzentriert und als solche einen bedeutenden Hin
tergrund für die literaturwissenschaftlichen Studien liefert.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437