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280 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
dung des italienischen Nationalstaates vordergründig von der »Irridenta« wei
terhin genährt.
Joe Berghold konzentriert sich in seiner Studie Italien-Austria. Von der Erb-
feindschaft zur europäischen Öffnung (Berghold 1997) auf fünf Dimensionen
dieser Erbfeindschaft, die er jeweils dichotomisch darstellt : der traditionelle
Mentalitäts und Lebensstilkontrast zwischen germanischer und romanischer
Welt, die Erinnerungsspuren germanischer Invasionen Italiens, die Spannungs
motive, die sich aus der eher urbanen Entwicklung Italiens und der weitgehend
auf agrarischem sozialhistorischen Hintergrund beruhenden Entwicklung Ös
terreichs ergeben, die politischen Frontbildungen im Zuge der Herausbildung
der modernen Gesellschaft (Aufklärung und alte Ordnung/Säkularisierung
und religiöser Traditionalismus/Nationalstaat und Vielvölkerreich, usw.) und
die Volksgruppen und Autonomiekonflikte im tirolisch trientinischen Raum
(Berghold 1997 : 69f.).247 Wie ersichtlich ist, geht Berghold als Grundlage für
die langjährigen Probleme zwischen Italien und Österreich vorrangig von Ge
gensatzpaaren aus. Damit werden die Ausgangsbedingungen für die gegensei
tige Konstruktion der Wahrnehmungen zwischen »Italien und Austria« in anti
thetische Bilder gefasst, die nicht zuletzt dadurch, dass sie notwendigerweise das
Trennende in den Vordergrund stellen, dieses gleichzeitig festschreiben. Wie je
doch aus der nachstehenden Analyse der italienischen Übersetzungsproduktion
im habsburgischen Österreich erkennbar sein wird, bilden die komplexen his
torischen Verflechtungen zwar den Ausgangspunkt für die gegenseitigen Wahr
nehmungen, doch wird davon ausgegangen, dass sich gerade aus den vielfältigen
Berührungsmomenten auf verschiedenen Ebenen – politisch, wirtschaftlich und
(vor allem für den vorliegenden Kontext relevant) kulturell – »neue« Konstella
tionen ergeben, die, keineswegs immer konsensuell und oftmals sogar konfliktu
ell, diese Dichotomien zumindest ansatzweise zu überwinden suchen oder diese
infrage stellen. Gerade an der Kulturpraxis des Übersetzens sind viele dieser
Faktoren festzumachen. Die folgenden Abschnitte sollen zeigen, inwieweit und
auf welche Weise diese unterschiedlichen Faktoren in den Übersetzungen aus
dem Italienischen ins Deutsche im Zeitraum 1848–1918 bzw. in ihren Paratex
ten geschaffen, repräsentiert und diskutiert wurden.
247 Vgl. dazu auch die von Fritz Fellner herausgearbeiteten Blockaden in der Begegnung Italien
Österreich (Fellner 1982), die im Kontext der italienisch deutschen Übersetzungen für den
Zeitraum 1848–1918 in Wolf (2001 : 163f.) näher diskutiert werden.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437