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318 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
änderung und nimmt im 19. Jahrhundert durch die langsame Etablierung des
Urheberrechts und die Weiterführung der ökonomischen und sozialen Unab
hängigkeitstendenzen weiterhin ab (Moenninghoff 1996 : 353f.).
Für den Kontext der Übersetzung kann sich aus dem Umstand, dass Wid
mungen von ÜbersetzerInnen verfasst sein können, die Erkenntnis ergeben,
dass sich in solchen Widmungen das Ringen um Anerkennung für die eigene
Kreativität manifestiert : Wenn der Übersetzer oder die Übersetzerin eine eigene
Widmung oder Widmungsepistel einfügt und die Übersetzung somit als sein
oder ihr ureigenstes Werk einer hochgestellten Persönlichkeit gewidmet wird, so
soll das eigene Werk nicht als bloße sekundäre Wiedergabe oder Widerspiege
lung eines fremden Textes verstanden werden, sondern es beansprucht zumeist
denselben Status wie das Original (vgl. Graeber 1990 : 13f.).
Im Korpus deutschsprachiger Übersetzungen aus dem Italienischen sind ins
gesamt 22 Widmungen enthalten, davon weisen 2 Übersetzungen je 2 Wid
mungen auf (= 8 % aller Übersetzungen, die in der Habsburgermonarchie zwi
schen 1848 und 1918 publiziert wurden). Diese wurden in der Mehrzahl von
ÜbersetzerInnen verfasst (15), 7 Widmungen stammen von den VerfasserInnen.
Eine Abnahme der Setzung von Widmungen über die Jahrzehnte innerhalb des
Untersuchungszeitraumes ist nicht festzustellen, wohl aber der Usus vonseiten
HerausgeberInnen, einer Übersetzung eine Widmung beizuschließen : Diese
wurden in der überwiegenden Mehrzahl zwischen 1860 und 1900 verfasst. Die
AdressatInnen sind zu einem Großteil Männer (16, gegenüber 5 Frauen) ; eine
Widmung ist an »Die Deutschen Mitteleuropas« gerichtet. Tabelle 25 spiegelt
die Widmungssituation zwischen den Jahren 1849–1917 im Detail wider.
Unter »Privatperson« werden »bürgerliche« Personen subsumiert, deren Na
men dem Anschein nach in der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Es scheint
sich hier um Freunde des jeweiligen Übersetzers zu handeln, dem dieser zu
Dank bzw. Ehrerbietung verpflichtet ist. Eine Fokussierung auf adelige oder
»bürgerliche« WidmungsadressatInnen über die einzelnen Jahrzehnte ist nicht
feststellbar. Insgesamt ist festzuhalten, dass die Widmungen nicht auf die trans
latorische oder im weiteren Sinn vermittlerische Tätigkeit der Übersetzer rekur
rieren, sondern der Schwerpunkt der Widmungsbotschaft auf den gesellschaft
lichen Beziehungen der WidmungsverfasserInnen und somit auf ihrem sozialen
Kapital liegt. Das oben erwähnte Anliegen der Übersetzer, durch die Einfügung
einer eigenen, an eine sozial oder intellektuell anerkannte Person gerichtete
Widmung die Übersetzung als primäres Werk und damit als eigenständiges kul
turelles Produkt zu präsentieren, wird durch das vorliegende Korpus zur Gänze
bestätigt. In diesem Ringen um Legitimation und Anerkennung manifestiert
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437