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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 329
nisse im »alten Rom«. Ein anderer Übersetzer gibt zu erkennen, dass der Autor
von Die Römischen Feste (139c), Ruggero Bonghi (1891), eine Brücke zwischen
dem antiken Rom und der »unantastbare[n] Hauptstadt des neugeeinten Itali
ens« zu schlagen versucht und geht das Versprechen ein, dieses Anliegen durch
seine Übersetzung zu unterstützen. Durch diese Paratexte wird der historische
Kontext des Werks bzw. der Übersetzung thematisiert, jedoch nicht weiter –
z. B. im Sinne eines kulturmittlerischen Anliegens – ausgeführt. Wie Elisabeth
Arend Schwarz in ihrer Nachzeichnung der Geschichtsschreibung italienischer
Literatur feststellt (Arend Schwarz 1993b : 88), ist der zum Teil bis heute nach
wirkende Rekurs auf ein antike fixiertes Italienbild auf Winckelmann zurück
zuführen, was sich auch in diesen Paratexten widerzuspiegeln scheint.
Zwei völlig unterschiedliche Konstruktionen des »Italienbildes« aus den Jah
ren 1851 und 1883 illustrieren die Vielschichtigkeit der durch Paratexte mögli
chen Steuerungsmechanismen und geben gleichzeitig die verschiedenen argu
mentativen Strategien zu erkennen, mit denen TranslatorInnen ihren jeweiligen
Anliegen zur Realisierung verhelfen. Beide Texte wurden bei Hartleben in Wien
verlegt, was aufgrund des Prestiges des Verlages eine relativ große Breitenwir
kung gewährleistete. Das Titelblatt von Cesare Balbos Geschichte Italiens von
den ältesten Zeiten bis zum Jahr 1814 (46) enthält die (in kleiner Schrift gehal
tene) Information »uebersetzt und bis zum Jahre 1851 fortgeführt von Richard
Moll«.266 Nachdem Moll die Übersetzung des italienischen Werks abschließt,
wechselt er vom Übersetzer zum Historiker und setzt die historiografische Stu
die bis zum Jahr 1851 fort. Balbos Ansinnen war, wie der Übersetzer in der
»Vorrede« verlautet, die »Hebung des Nationalgefühls« in Italien, während es
Moll ein Anliegen ist, dass das Werk dem deutschsprachigen Publikum zur
»Belehrung über Charakter und Ansichten der [noch nicht gegründeten italie
nischen] Nation« diene. Der Übersetzer Historiker ist überzeugt, dass es zum
besseren Verständnis des Ringens der Italiener um Unabhängigkeit und Nati
onalstaatengründung notwendig sei, die italienische Zeitgeschichte »im Sinne
des Autors« zu analysieren, was für Moll bedeutet, »seine« Geschichte »vom
national italienischen Standpuncte aus« zu schreiben. Damit nimmt er nicht
nur auf Balbos nationale Anliegen Rücksicht, sondern unterstreicht sogar die
national politischen Forderungen vieler Italiener und verzichtet bewusst auf
eine kritische Beleuchtung der historischen Konzeption Balbos, wie sie zu einer
Zeit, als die blutigen Aufstände in Italien von 1848 noch in lebhafter Erin
nerung waren, eigentlich zu erwarten wäre. Zusätzlich hebt Moll hervor, wie
266 Über den Übersetzer konnten keine biografischen Daten eruiert werden.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437