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330 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
wichtig die Stärkung der intellektuellen Ausbildung der Italiener sei und folgt
auch darin Balbos Interesse, den Einigungsprozess zu beschleunigen :
Der Grundgedanke, welcher das Ganze beseelt, ist jener der Wiedererringung
einer, seiner vorigen Größe, der intellectuellen Bildung seiner Bewohner, und den
zahlreichen sonstigen Bedingungen, welche dafür sprechen, angemessenen selb
ständigen politischen Stellung, welche ihm den Platz im europäischen Staatensys
ten [sic] verschaffen soll. (Moll 46)
Dass dieses Plädoyer für die Unabhängigkeit Italiens von den Habsburgern
nicht der Zensur zum Opfer fiel, kann in erster Linie durch die Tatsache erklärt
werden, dass Balbo, der zwar im Jahr 1848 Ministerpräsident von Sardinien Pi
emont war, insgesamt jedoch, wie vor allem sein bekanntes Werk Delle Speranze
d’Italia (1844) zeigt, eine antirevolutionäre Haltung einnahm, sein Werk mit
dem Jahr 1814 abschloss, also kurz bevor die habsburgische Hegemonie über
»Italien« begann. Eine weitere Erklärung dürfte darin liegen, dass die Überset
zung (als 23. Band) in einer prestigehaften Reihe bei Hartleben erschien, dem
Historischen Lese-Cabinet ausgezeichneter Geschichtswerke, Reisen und Memoiren
aller Nationen in sorgfältigen Uebersetzungen. Diese Übersetzung bzw. diese Form
des »rewritings« stellt somit den um die Mitte des 19. Jahrhunderts keineswegs
verbreiteten Anspruch, einen Beitrag zur Meinungsbildung in der Habsburger
monarchie zu liefern, der ein offenes Bekenntnis für ein differenzierteres Bild
der »italienischen Realität« enthält und nicht zuletzt aufgrund der Popularität
seines Autors – der zwar aufgrund der Einschränkung seiner historischen Aus
führungen »bis zum Jahre 1814« nur einen geringen Anteil daran hatte – zur
Konstruktion eines von national politischen Bezügen charakterisierten Italien
bildes in nicht unwesentlichem Maß beitrug.
Das zweite bei Hartleben erschienene Werk, in dessen Übersetzer
Vorwort
in besonders ausgeprägter Form Konstruktionsprozesse nachzuzeichnen sind,
ist Edmondo de Amicis’ Marokko (406). Der Übersetzer Amand von Schweiger
Lerchenfeld267 erklärt im Vorwort seiner 1883 erschienenen Übersetzung, das
Buch sei »keine directe Uebertragung des italienischen Originals, sondern eine
ungezwungene, weder an das Material des italienischen Autors, noch an das
Detail gebundene Bearbeitung«. Für die massiven Eingriffe in den Text gibt
267 Amand Freiherr von Schweiger Lerchenfeld (1846–1910) war Journalist, Reiseschriftsteller und
Kulturhistoriker und verfasste zahlreiche landeskundliche und technische Schriften (etwa über
Mikroskope, über das Eisenbahnwesen etc.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437