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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 331
er zwei Gründe an : Zum einen seien für das deutsche Publikum eingehendere
ethnografische und kulturhistorische Informationen über Marokko notwendig,
womit Schweiger Lerchenfeld freilich auch seinen journalistischen Anliegen
zum Einsatz verhalf ; zum anderen enthalte das Buch im Original zu viele lokale
Anspielungen auf »heimatliche [italienische] Zustände, Personen und Dinge«,
die dem deutschen Lesepublikum unverständlich wären, weshalb er es als seine
Pflicht ansehe, diesen »vaterländisch intime[n]« Charakter zu eliminieren und
ein neues Werk zu schaffen. Zu diesem Zweck füge er auch einige neue Kapi
tel (»Süd Marokko« und »Der spanisch marokkanische Krieg 1860«) in seine
Übersetzung ein. Der Diskurs, der sich aus diesen Anliegen des Übersetzers
ableitet und der das gesamte Vorwort durchzieht, ist ein orientalistischer Dis
kurs, wie er von Edward Said in seinem inzwischen zum Klassiker erhobenen
Orientalismus (Said 1981) entlarvt wurde. Said zeigt die Zusammenhänge zwi
schen der Produktion literarischer Texte und westlicher politischer und kultu
reller Hegemonieansprüche und die daraus resultierenden Zuschreibungen auf,
die Bilder des Orients konstruieren, welche die Sphären des Kolonisierers und
des Kolonisierten scharf voneinander abgrenzen und den Orient zu mystifi
zieren, diskriminieren und manipulieren suchen. So argumentiert Schweiger
Lerchenfeld etwa, dass er darauf bedacht war, jene Szenen aus dem Originaltext
beizubehalten, die in besonders eindrucksvoller Weise charakteristische Szenen
des marokkanischen Lebens schildern. Die Übersetzung nimmt somit in weiten
Teilen den orientalistischen Charakter des Originals auf und verstärkt diesen
Diskurs durch seine Betonung im Vorwort :
Diese […] Scenen, Schilderungen und Einzelbilder sind so charakteristisch, so
farbig und geistreich durchgeführt, daß sie […] unbestritten den Hauptschmuck
und Hauptwerth des vorliegenden Buches bilden. […] Ihm [dem Autor] sind
Landschaften und Staffagen die wechselnden Farbenstifte eines blendenden Mo
saiks, Scenen und Vorfallenheiten die Emanationen eines fremdartigen, in Allem
und Jedem überraschenden Lebens, dem die Farben des Orients anhaften, und
das die Erinnerungen an das glänzende Zeitalter vergangener Größen wachruft.
(Schweiger Lerchenfeld 406)
Die Repräsentation Marokkos fokussiert auf dekorative Aspekte und gibt einer
objektzentrierten Darstellung den Vorzug, indem sekundäre Elemente in das
Zentrum vorrücken, während die hinter diesen Elementen stehenden AkteurIn
nen unerwähnt bleiben und als Subjekte bestenfalls in einer glorreichen Vergan
genheit eine Stimme hatten. Eine solche diskriminatorische Wiedergabe »Ma
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437