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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 353
Bereits in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wurde das Sammeln von
SubskribentInnen zum festen Bestandteil des Literaturbetriebs. Die starke Eta
blierung des Subskriptionswesens ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass der
Sortimentbuchhandel gegenüber literarischen Novitäten eher zurückhaltend
war und die Zuwendung zur Subskription von neuer, vor allem mehrbändiger
bzw. enzyklopädischer Literatur eine wesentliche Marktlücke traf (Sarkowski
1982 : 227). Das Phänomen der Subskription kann nicht zuletzt deshalb zum
»patronage system« gezählt werden, weil es über lange Zeit hinweg Usus war,
die Namen der SubskribentInnen in die Einleitung des jeweiligen Werks auf
zunehmen (Speck 1982 : 49). Aus diesem Grund erscheint es auch aufschluss
reicher, nicht den statistischen Durchschnitt der Anzahl von Subskriptionen
aufzuzeigen, sondern eine Analyse der einzelnen LeserInnen bzw. KäuferInnen
anzustellen und daraus Schlüsse über deren jeweilige Position im Feld bzw. Ver
mittlungsraum in Verbindung mit anderen involvierten AkteurInnen zu ziehen.
Lawrence Venuti etwa gibt (in Anlehnung an Speck 1982) an, dass die Subskri
benten von Alexander Popes Ilias Übersetzung zunehmend aus bürgerlichen
Kreisen stammten und dass das Werk erst in zweiter Linie vom aristokratischen
Publikum geschätzt wurde (Venuti 1995 : 66). Eine detaillierte Analyse grie
chischer, serbischer und rumänischer historischer Bücher um 1800 stellt Max
Peyfuss an und kommt ebenso zu dem Schluss, dass vor allem das bürgerli
che Publikum zunehmend vom Subskriptionswesen Gebrauch macht (Peyfuss
1985 : 345). Wenn Peyfuss hier besonders die Kaufleute hervorhebt, so kann dies
als Versuch der Kaufleute des beginnenden 19. Jahrhunderts gewertet werden,
durch die Subskription, deren »Öffentlichkeitscharakter« bekannt war, kulturel
les Kapital zur besseren Positionierung im eigenen Feld zu erwerben. Die syste
matische Aufarbeitung von Subskriptionslisten von Übersetzungen im Untersu
chungszeitraum könnte somit Aufschluss geben über den Einsatz der Kapitalien
von AkteurInnen, die nicht unbedingt im Vermittlungsraum aktiv sind, jedoch
durch ihre »enjeux« auch in andere Felder hineinwirken. Eine Analyse des sozi
alen Wirkungsbereichs der SubskribentInnen informiert über den manipulati
ven Einfluss ihrer Tätigkeit auf Kauf, Verkauf und Rezeption von (übersetzter)
Literatur und vermag dadurch in bedeutendem Ausmaß zur Aufdeckung der im
Vermittlungsraum bestehenden Machtverhältnisse beizutragen.
Als Distributionsinstanzen im engeren Sinn wären auch Buchhändler zu
nennen, die sich zum Teil auf den Vertrieb spezieller literarischer oder wissen
schaftlicher Sparten spezialisierten ;285 des Weiteren das Moment der Werbung,
285 Vgl. dazu im italienischen Kontext die Ausführungen des Triestiner Verlegers M. Quidde (1910).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437