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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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364 Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen Die Mutter verwandelte sich mit Hilfe ihrer kroatisch-polnischen Kenntnisse in eine Tschechin. Aus dem erstgeborenen Sprößling Franciszek wurde ein Fran- tisek. Vater Schneider schüttelte den Kopf […]. Im galizisch-bukowinischen Grenz- gebiete hatte er im Wirrwarr von vier oder fünf Sprachen als neutraler Austro- Aerarier gemächlich leben dürfen. Hier, wo nur zwei Völkerschaften einander be- kämpften und das Dasein verekelten, gönnte man es ihm nicht mehr. […] Schwer traf es Vater Schneider, daß er in diese arge Zeit hineinkam, wo der Radetzkymarsch den Wert einer gefestigten Weltanschauung mehr und mehr zu verlieren begann […]. […] Wohin durften sich die Brüder Schneider stellen ? Ihre Mutter war eine tsche- chische Polin mit halb-kroatischer Vergangenheit ; der Vater ein neutraler Aus- tro-Aerarier, polnisch durch die Frau, austrifiziert durch das Amt. Von mehreren Sprachen hatte er je ein Stückchen Mensch, von keiner einen ganzen Menschen erhalten – aber dieses Chaos war seine Heimat. […]« (Techet 1922 : 11–17). Wenn die kurze Familiengeschichte »Das ewige Oesterreich« von Carl Techet290 hier in extenso zitiert wird, so hat das seinen Zweck, spricht sie doch einige der Kernbereiche an, die im Rahmen der Problemfelder von Sprache, Nationen- Zugehörigkeit und der diesbezüglichen Rolle von Übersetzung bereits disku- tiert wurden. Die satirische Sicht auf das Aufkommen des Nationalismus im Vielvölkerstaat und die diesbezügliche kopfschüttelnde Verständnislosigkeit vonseiten des im Reich »nomadisierenden« Beamtentums (im Text : »beamtete Nomaden«, ein Widerspruch in sich, der die Normalität der Absurdität wieder- zugeben versucht) wird hier vor dem Hintergrund einer den Alltag charakteri- sierenden Vielsprachigkeit dargestellt und spiegelt die konfliktgeladene Proble- matik dieser Fragestellung im Kontext der plurilingualen Seele Kakaniens wider. 290 Der in Wien geborene Carl Techet (1877–1920) lehrte am Gymnasium in Kufstein, wurde je- doch nach Veröffentlichung seiner unter dem Pseudonym Sepp Schluiferer veröffentlichten sati- rischen Schrift Fern von Europa (1909), in der er der Tiroler Bevölkerung ein wenig schmeichel- haftes Denkmal setzte, gnadenlos verfolgt und schließlich in einen k.k. »Hinterhof« (Proßnitz in Mähren) versetzt. Die Zeitung Tiroler Wastl schrieb im November 1909 über den Autor : »Wer dieser Spottgeburt aus Dreck und Spülicht nur einen Bissen Brot, nur einen Tropfen Wasser reicht, dem faule die Hand vom Leibe, und wer dieses Scheusal tötet und zu Aas macht, der sei gepriesen.« Fern von Europa ist längst zum Kultbuch geworden und wurde inzwischen wiederholt aufgelegt (Plattform Inzing 2000, Nigg 2002 ; zu weiteren Reaktionen auf sein Werk vgl. SA- GEN.at [o.J.]).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Subtitle
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Author
Michaela Wolf
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
442
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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