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46 | Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe
das die Kanzel der Kapuzinerkirche von Urfahr bei Linz zeigt, keine österreichischen
Werkmodelle für frühneuzeitliche sakrale Ausstattungsstücke erhalten.73 Wesent-
lich seltener kam es wie in Dürnstein oder Kremsmünster vor, dass Prälaten von den
Tischlern zunächst Prototypen in Originalgröße verlangten.74 So konnten sie nicht
nur die ästhetische Wirkung geplanter Möbelgarnituren besser einschätzen, sondern
sich auch von den handwerklichen Fähigkeiten der jeweiligen Tischler überzeugen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass manchmal bereits fertiggestellte Möbelensem-
bles als Vorlagen für neues Mobiliar dienten.75 Auf die zeitaufwendige und mit Kosten
verbundene Ausarbeitung von Entwürfen konnte damit verzichtet werden. So sind die
Bankwangen von Mariahof und der Abtei St.
Lambrecht (Abb.
202, 261) von 1640/50
nahezu identisch. Wahrscheinlich lieferte sie das Atelier von Christoph Paumgartner
aus Neumarkt. Dabei würde es nicht überraschen, wenn er die Kirchenbänke zunächst
für das Kloster gebaut hätte, dann erst für die kleine Dorfgemeinde. Entsprechend
ging der Dürnsteiner Propst Hieronymus Übelbacher (reg. 1710–1740) vor, als er An-
fang des Jahres 1724 dem mit der Herstellung von Kirchenbänken für seine Stiftskir-
che beauftragten Tischler eine Docke zum Kopieren überließ.76 Vielleicht stammte sie
noch aus Beständen der Bauhütte von St.
Stephan in Wien, denn die Laiengestühle in
der Metropolitan- und in der Stiftskirche sind beinahe identisch. Und im Vertrag, mit
dem der Propst 1725 den Tischler Hippolyt Nallenburg (1687–1733) zur Fertigung
der Beichtstühle verpflichtete, wird ausdrücklich festgehalten, dass die Möbel in ih-
rem Aussehen jenen in St. Dorothea zu Wien und in der Domkirche zu St. Pölten zu
gleichen hätten.77 Weiter existieren Übereinstimmungen zwischen Möbelgarnituren
im Grazer Dom, in Mariatrost und in der Abteikirche Rein (Abb. 155, 157, 171, 236–
239), zwischen Sitzbänken in einigen Salzburger Sakralbauten sowie in den Kirchen
von Frauenberg, Gröbming und Pürgg (Farbtaf. 17 ; Abb. 125, 132, 194, 232). Diese
Reihe ließe sich fortsetzen.78
73 Schultes/Schultes, Kanzel (1995) ; Schultes, Kanzelmodell (1998). Zu einigen süddeutschen Model-
len für Sakralmöbel aus dem fortgeschrittenen 18. Jahrhundert s. Himmelheber, Kleine Möbel (1979),
68–69, 71–73 ; Dobrzecki/Volk, Rokokoplastik (1985), 115–116 ; Brossette, Inszenierung (2002), Bd. 2,
Abb. 101.
74 Im Stift Dürnstein war das beim Bau der Sakristeischränke der Fall, in der Abtei Kremsmünster ging es
um die Möbel für die Bibliothek.
75 Für profane Möbel ist das schon lange bekannt. Erinnert sei nur an verschiedene Möbel aus der Ro-
entgen-Manufaktur, den »Großen Kabinettschrank« beispielsweise, der in den 1770er-Jahren in drei
Varianten gebaut wurde. Stiegel, Projekte (2009), bes. 57–63.
76 Penz, Kalendernotizen (2013), 271.
77 Penz, ebd., 327.
78 Beispielsweise mit den Tischen für die Bibliothek in Kremsmünster und das Refektorium in Lambach.
Die Möbel entstanden zwischen 1707 und 1709.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587