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82 | Österreichische Kunstlandschaften und regionale Charakteristika
lehnen noch in Vorarlberg vorkommen, gelegentlich übernahmen auch die Tischler
angrenzender Regionen diese Gestaltung.180 Die Wangen vieler Tiroler Kirchenbänke
wurden mit schweren Dekormotiven ergänzt, die um 1640 gebauten Docken in der
Innsbrucker Jesuitenkirche (Abb. 305) verdeutlichen das ebenso wie die kurz vor der
Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert realisierten in Stams (Abb. 350).
Auffallend sind ferner die formalen Analogien der Beichtstühle in der Innsbrucker
Jesuitenkirche, der Kirche in Maria Thal (Abb. 302, 318) sowie der Innsbrucker Spi-
talskirche.181 Die in Wandnischen eingesetzten zwei- bzw. dreiachsigen Möbel ent-
standen im zweiten Viertel des 17.
Jahrhunderts sowie im frühen 18.
Jahrhundert, ihre
Fronten rekurrieren auf Portalarchitekturen. Pilaster flankieren rundbogige Arkaden,
schwere Gebälke laufen in hohen Sprenggiebeln mit skulptierten Kartuschen aus, die
die Monogramme Jesu und Mariens oder die Brustbilder büßender Heiliger tragen.
Dann darf das Gestühl des Zisterzienserklosters Stams nicht unerwähnt bleiben
(Farbtaf. 31 ; Abb. 351–358), das Sybe Wartena zu Recht in seine Studie zu süddeut-
schen Chorgestühlen aufnahm.182 Beim Bau des Inventarstücks orientierte sich der
Konverse Georg Zoller (1700–1764) am etwa zehn Jahre älteren Möbel der bayrischen
Zisterze Pielenhofen.183 Im Unterschied zu anderen Gestühlen in österreichischen
Zisterzienserkirchen besitzt das Exemplar in Stams am Westende breite querstehende
Flügel, vor denen auf der Seite der Laien Scheinaltäre stehen. Anders als in Bayern ist
eine ähnliche Nutzung des Raumes hierzulande kein zweites Mal anzutreffen. Süd-
deutsch muten überdies die detailreichen Marketerien der Rückwandfelder an, fran-
zösisch die Schnitzmotive der Außenwangen.184
Vor den Außenwänden von Kirchen und damit parallel zur Längsachse der Baukör-
per platzierte Bänke verbinden durch ihre Position Tiroler Möbelgarnituren mit sol-
chen aus der westlichen Steiermark und Kärnten. In Pürgg kommt das ebenso vor wie
in St. Paul und Völkermarkt (Abb. 56, 73, 74, 229), ein Kupferstich Lorenz Strauchs
(1554–1630 ?) von 1614 dokumentiert, dass sich solche Möbel einstmals auch in der
Innsbrucker Hofkirche im Langhaus vor der Nord- und Südwand befanden.185 Im
Zuge des Umbaus der Kirche in den 1680er-Jahren wurde das alte Laiengestühl gegen
180 So etwa im Kloster Einsiedeln in der Schweiz, in Passau, in Friedrichshafen oder im Kloster Birnau.
Waschgler, Kunstgeschichte Vorarlbergs (1930), Taf. III, Abb. 27 und 28 ; Möseneder, Passauer Dom
(2014), 22.
181 ÖKT, Innsbruck, 1 (1995), Abb. 331.
182 Wartena, Süddeutsche Chorgestühle (2008), 743–754.
183 Wartena, ebd., 593–609 und Abb. 19.14.
184 Sybe Wartena erkennt übrigens auch stilistische Gleichklänge zwischen den Innsbrucker Gestühlen
und jenen aus dem süddeutschen Kunstraum. Wartena, ebd., 198–200.
185 Egg, Hofkirche (1974), Abb. 18 ; ÖKT, Innsbruck, Hofbauten (1986), Abb. 304.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587