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Österreichische Kunstlandschaften und regionale Charakteristika |
85Kärntenund
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dagegen manchmal in einem weiten Bogen über die Möbel und Fenster. Er verbindet
Oberschränke und Fensteröffnungen und fasst sie zu einer optischen Einheit zusam-
men (Abb. 61, 198).
Auf das Ornamentmotiv, das aus einem nach vorn gewölbten Hochoval im Zentrum
einer Füllung besteht, wurde schon im ersten Band der Untersuchung aufmerksam ge-
macht.193 Es ist bereits am Dreisitz in der Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus in Frie-
sach von 1631 fassbar (Abb.
18), während es sich im Norden und Osten Österreichs an
Möbeln etwa seit den 1650er-Jahren nachweisen lässt. Die bisherige Annahme, dass
das Motiv dort auf einen Stich von Friedrich Unteutsch (um 1600–1670) aus der Zeit
um 1640 zurückgehe, muss also korrigiert werden. Es könnte ebenfalls von früheren
Möbeln aus dem Süden Österreichs übernommen worden sein.
Darüber hinaus muss die Aufmerksamkeit auf einige ausgefallene Taufsteindeckel
gerichtet werden, deren Form das Äußere von Tempietti widerspiegelt.194 Die Reihe
beginnt mit dem 1608 datierten Taufsteindeckel in St. Oswald zu Seefeld in Tirol195,
ihm folgen ein um 1620 wahrscheinlich von Konrad Scherer aus Velden verfertigtes
Exemplar in der Stiftskirche von St. Paul in Kärnten (Farbtaf. 08) sowie ein drittes,
um die Jahrhundertmitte oder bald danach entstandenes, in der kleinen steirischen
Dorfkirche zu Pürgg (Farbtaf. 26).
Die Taufsteinaufsätze errichtete man über sechs- oder achteckigem Grundriss, mit
Sockel, Hauptgeschoss, Gebälk und abschließender Kuppel weisen sie Parallelen zur
Gestaltung eines bestimmten Typs von Tabernakeln auf. Als einer der ältesten im Al-
penraum erhaltenen aus dieser Serie von Kleinarchitekturen gilt der Tabernakel in
der Pfarrkirche S. Martino in Sessa bei Lugano aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts.196 Weitere Beispiele geben 1591 von Jacob Müller publizierte Entwürfe
mit Sakramentshäusern und einem Tabernakel wieder.197 Zugleich übernahmen die
Taufsteindeckel aber auch die Zentralbauform antiker und frühmittelalterlicher Grab-
bauten, Memorialarchitekturen und Taufkapellen. Hinweise auf die Grabeskirche in
Jerusalem, auf San Giovanni in Laterano oder auf das Baptisterium in Florenz mögen
an dieser Stelle genügen. Bei der Fertigung frühneuzeitlicher Möbel in Tempiettoform
193 Bohr, Sakralmöbel (2017), 65–66.
194 Die Idee, Taufbecken mit architektonisch anmutenden Deckeln zu versehen, war bekanntlich keines-
wegs neu. Vgl. hierzu etwa den Taufstein in St. Stephan zu Wien von 1481. Gruber, Stephansdom
(2011), 136–139.
195 Triendl, Seefeld Tirol (2006), 20–21.
196 Hamm, Altartabernakel (2010), 66. Eines der aufwendigsten Tabernakel aus jener Epoche im nordal-
pinen Raum ist das im Dom zu Salzburg von 1630/35. ÖKT, Salzburg (1912), 31–33 ; Schommers,
Goldschmiedearbeiten (2003), 118, Abb. 1. Vgl. zu dieser Art von Tabernakeln auch Guinomet, Sak-
ramentstabernakel (2017).
197 Müller, KirchenGeschmuck (1591), 20, 21, 113.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Sakralmöbel aus Österreich
Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus, Volume II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Title
- Sakralmöbel aus Österreich
- Subtitle
- Von Tischlern und ihren Arbeiten im Zeitalter des Absolutismus
- Volume
- II: Kunstlandschaften im Norden, Süden und Westen
- Author
- Michael Bohr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21246-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 628
- Keywords
- Baroque, applied arts, church furnishings, Barock, Kunsthandwerk, Sakralmöbel
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- Vorwort 11
- Teil 1 Vorbemerkungen
- Teil 2 Grundlegendes
- I. Die Auftragsvergabe 27
- II. Handwerker und Kunsthandwerker 35
- III. Künstlerische Inventionen, Modelle und Entwürfe 43
- Zur Geschichte 43
- Allgemeines 44
- Modelle für Sakralmöbel 45
- Die Frage nach der Urheberschaft von Entwürfen für Sakralmöbel 47
- Entwürfe und Modelle von Architekten und Baumeistern 47
- Entwürfe und Modelle von »Tischler-Architekten« 50
- Entwürfe und Modelle von Tischlern und Zimmerleuten 51
- Entwürfe von Bildhauern und Bildschnitzern 53
- Entwürfe eines Theateringenieurs und eines Theaterdekorateurs 53
- Entwürfe von Ornamentkünstlern und die Rezeption von Ornamentstichen 54
- Entwürfe von Stuckateuren und die Rezeption von Stuckarbeiten 55
- IV. Barocke Möbel und sakraler Raum 57
- V. Zeittypische Stilbildungen 69
- VI. Österreichische Kunstlandschaften und regionale
- Teil 3 Katalog – Beiträge zu den Sakralanlagen – Tafeln
- Hinweise 91
- Hinweise zu Provenienzen, Datierungen und Materialien 91
- Hinweise zu den angegebenen Maßen 91
- Hinweise zu den zitierten Schriftquellen 92
- I. Sakralbauten im Burgenland 93
- II. Sakralbauten in Kärnten 114
- Friesach, Stadtpfarrkirche hl. Bartholomäus 114
- Gösseling, Filialkirche hl. Michael 120
- Griffen, Ehemaliges Prämonstratenserstift 122
- Griffen, Alte Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 122
- Griffen, Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Mariae Himmelfahrt 125
- Gurk, Konkathedrale und Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt 129
- Klagenfurt, Dom- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul 146
- Loschental, Filialkirche hl. Josef 151
- Benediktinerstift St. Paul im Lavanttal 154
- Villach, Stadthauptpfarrkirche hl. Jakob d. Ä 171
- Völkermarkt, Stadtpfarrkirche hl. Maria Magdalena 177
- III. Sakralbauten in Salzburg/Stadt und Land 183
- Maria Plain, Wallfahrtskirche Maria Plain (Maria Himmelfahrt) 183
- Mattsee, Kollegiatstift 189
- Michaelbeuern, Benediktinerstift 196
- Salzburg, Benediktiner-Erzabtei St. Peter 206
- Salzburg, Dreifaltigkeitskirche 219
- Salzburg, Metropolitankirche hll. Rupert und Virgil 229
- Salzburg, St. Markus 244
- Salzburg-Mülln, Stadtpfarrkirche zu Unserer Lieben Frau Mariae
- Himmelfahrt 248
- IV. Sakralbauten in der Steiermark 255
- Frauenberg, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Opferung 255
- Graz, Barmherzige Brüder, Kloster und Spital 263
- Graz, Dom- und Pfarrkirche St. Ägidius 272
- Graz, Franziskanerkloster 289
- Graz, Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariatrost 292
- Graz, Pfarrkirche St. Andrä 305
- Graz, Welsche Kirche / Kirche hl. Franz de Paula 309
- Gröbming, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt 312
- Mariahof, Pfarrkirche hl. Maria 323
- Neuberg an der Mürz, Pfarrkirche Maria Himmelfahrt 333
- Pöllau, Pfarrkirche St. Veit 347
- Pürgg, Pfarrkirche St. Georg 359
- Rein, Zisterzienserstift 365
- Rottenmann, Stadtpfarrkirche St. Nikolaus 381
- St. Lambrecht, Benediktinerabtei 386
- Vorau, Augustiner-Chorherrenstift 404
- V. Sakralbauten in Tirol 419
- Bad Mehrn, Filialkirche hl. Bartholomäus 419
- Brixlegg, Pfarrkirche Unsere Liebe Frau 424
- Innsbruck, Hofkirche zum hl. Kreuz 430
- Innsbruck, Jesuitenkirche zur hl. Dreifaltigkeit 437
- Innsbruck, Servitenkloster 449
- Kramsach, Maria Thal, Pfarrkirche hl. Dominikus 459
- Kundl, Filial- und Wallfahrtskirche St. Leonhard auf der Wiese 469
- St. Georgenberg, Benediktinerabtei 478
- Stams, Zisterzienserabtei 487
- Wilten, Prämonstratenser-Chorherrenstift 513
- VI. Sakralbauten in Vorarlberg 525
- Teil 4 Zusammenfassung und Ausblick – Glossar – Verzeichnisse – Literatur- Zusammenfassung und Ausblick
- Ziele der Untersuchung 551
- Zum strukturellen Aufbau der beiden Bücher 551
- Auftraggeber und Finanziers der Ausstattungen 552
- Wer waren die Tischler ? 553
- Wer waren die Entwerfer der Möbelgarnituren ? 555
- Zusammenarbeit von Tischlern mit anderen Gewerken 556
- Sakralmöbel und Ambiente 558
- Vermittlung und Weitergabe neuer Formen – Österreichische
- Kunstlandschaften 560
- Fazit und Ausblick 562
- Glossar 564
- Ortsindex 573
- Künstlerverzeichnis 577
- Abkürzungsverzeichnis 582
- Abbildungsnachweis 586
- Literaturverzeichnis 587