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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Seite - 18 -
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als wollte sie nicht bloß die Jugend allein, die wehrhafte, sondern den Geist der Jugend selbst ertöten, so hält diese selbstmörderische Wut nicht inne bei den Kriegerischen, bei den Soldaten: auch gegen die Träumer und Sänger, die halbe Knaben noch, die Schwelle des Jahrhunderts überschritten haben, auch gegen die Epheben des Geistes, gegen die seligen Sänger, gegen die heiligsten Gestalten hebt die Vernichtung das Beil. Nie ward in ähnlich kurzer Zeit eine ähnlich herrliche Hekatombe von Dichtern, von Künstlern geopfert als um jene Zeitwende, die Schiller, ahnungslos des eigenen nahen Geschicks, noch mit rauschendem Hymnus gegrüßt. Nie hielt das Schicksal verhängnisvollere Lese reiner und früh verklärter Gestalten. Nie netzte den Altar der Götter so viel göttliches Blut. Vielfältig ist ihr Tod, aber allen verfrüht, allen in der Stunde innerlichster Erhebung verhängt. Den ersten, André Chénier, diesen jungen Apoll, in dem Frankreich ein neues Griechentum wiedergeboren war, schleppt der letzte Karren des Terrors zur Guillotine: ein Tag noch, ein einziger Tag, die Nacht vom achten zum neunten Thermidor, und er wäre gerettet vom Blutblock und zurückgegeben seinem antikisch reinen Gesang. Aber das Schicksal will ihn nicht sparen, nicht ihn und nicht die anderen: mit zornigem Willen fällt es wie eine Hydra immer ein ganzes Geschlecht. England ist nach Jahrhunderten wieder ein lyrischer Genius geboren, ein elegischer schwärmerischer Jüngling, John Keats, dieser selige Künder des Alls: mit siebenundzwanzig Jahren reißt ihm das Verhängnis den letzten Atem aus der klingenden Brust. Ein Bruder des Geistes beugt sich über sein Grab, Shelley, den sich die Natur zum Boten ihrer schönsten Geheimnisse erlesen: ergriffen stimmt er dem Bruder im Geiste das herrlichste Totenlied an, das je ein Dichter dem andern gedichtet, die Elegie » Adonais« –, aber ein paar Jahre nur, und ein sinnloser Sturm wirft seine eigene Leiche an den tyrrhenischen Strand. Lord Byron, sein Freund, Goethes geliebtester Erbe, eilt her und entzündet dem Toten, wie Achill seinem Patroklos, den Scheiterhaufen am südlichen Meer: in Flammen fährt Shelleys sterbliche Hülle in den Himmel Italiens empor –, aber er selbst, Lord Byron, verbrennt wenige Jahre später im Fieber zu Missolunghi. Ein Jahrzehnt nur, und die edelste lyrische Blüte, die Frankreich, die England gegeben war, ist vernichtet. Aber auch Deutschlands jungem Geschlecht wird diese harte Hand nicht gelinder: Novalis, der mystisch fromm bis ins letzte Geheimnis der Natur gedrungen, löscht allzufrüh aus, vertropfend wie ein Kerzenlicht in dunkler Zelle, Kleist zerschmettert sich den Schädel in jäher Verzweiflung, Raimund folgt ihm bald in gleich gewaltsamen Tod, Georg Büchner rafft als Vierundzwanzigjährigen ein Nervenfieber hinweg. Wilhelm Hauff, den phantasievollsten Erzähler, dies unaufgeblühte Genie, scharren sie als Fünfundzwanzigjährigen ein, und Schubert, die liedgewordene Seele aller dieser Sänger, strömt vorzeitig aus in letzter Melodie. Mit allen Keulen und 18
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Titel
Der Kampf mit dem Dämon
Untertitel
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Autor
Stefan Zweig
Datum
1925
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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