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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Seite - 59 -
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Seite - 59 - in Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche

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Beleidigungen, bis es endlich (wie immer nachher) zu einem gefährlichen Ausbruch kommt. Was geschehen ist an jenem Tage: ob der Gatte, der ungern den schöngeistigen Umgang seiner Gattin geduldet, bloß eifersüchtig oder auch brutal geworden, bleibt Geheimnis. Offenbar ist nur, daß Hölderlins Seele gewaltsam verletzt, ja zerfetzt blieb von jener Stunde: wie vorbrechendes Blut stürzen die Strophen ihm zwischen verbissenen Zähnen heraus: Wenn ich sterbe mit Schmach, wenn an dem Frechen nicht Meine Seele sich rächt, wenn ich hinunter bin, Von des Genius Feinden Überwunden, ins feige Grab, Dann vergiß mich, o dann rette vom Untergang Meinen Namen auch Du, gütiges Herz! nicht mehr. Aber er wehrt sich nicht, er rafft sich nicht mannhaft auf: wie ein ertappter Dieb läßt er sich aus dem Hause jagen, um dann nur noch an heimlich vereinbarten Tagen von Homburg aus wieder der treugebliebenen Geliebten zu nahen. Knabenhaft schwach, weibisch fast ist Hölderlins Haltung in dieser Entscheidungsstunde – er schreibt der Entrissenen schwärmerische Briefe, er dichtet sie zu Hyperions herrlicher Braut empor und schmückt sie auf beschriebenen Blättern mit allen Hyperbeln der Leidenschaft, aber er unterläßt jeden Versuch, die Lebendige, die Nahe, die Geliebte gewaltsam zu gewinnen. Nicht wie Schelling, wie Schlegel reißt er, gleichgültig gegen Geschwätz und Gefahr, die geliebte Frau aus verhaßtem Ehebund feurig hinüber in sein Leben: nie trotzt der ewig Unwehrhafte dem Schicksal, immer beugt, immer neigt er sich demütig der Übermacht, immer erklärt er sich von vornherein vom stärkeren Leben besiegt – »the world is too brutal for me«. Und man müßte diese Wehrlosigkeit feige nennen und schwächlich, wäre hinter dieser Demut nicht großer Stolz und eine stille Gewalt. Denn dieser Zerstörbarste aller fühlt tief in sich ein Unzerstörbares, eine Sphäre, die unberührbar, unbeschmutzbar bleibt von allem brutalen Zugriff der Welt. »Freiheit, wer das Wort versteht – es ist ein tiefes Wort. Ich bin so innig angefochten, bin so unerhört gekränkt, bin ohne Hoffnung, ohne Ziel, bin gänzlich ehrlos, und doch ist eine Macht in mir, ein Unbezwingliches, das mein Gebein mit süßen Schauern durchdringt, sooft es rege wird in mir.« Nur in diesem Wort, in diesem Wert ist Hölderlins Geheimnis: hinter der schwächlichen, zerbrechlichen, neurasthenischen Unkraft seines Leibes waltet eine höchste Sicherheit der Seele, die Unverletzlichkeit eines Gottes. Darum hat alles Irdische im letzten Sinne keine Macht über den Machtlosen, darum gehen alle Erlebnisse nur wie Wolken in Frühlicht oder Dämmerung über den untrübbaren Spiegel seiner Seele hin. Was immer Hölderlin begegnet, vermag 59
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Titel
Der Kampf mit dem Dämon
Untertitel
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Autor
Stefan Zweig
Datum
1925
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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