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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Seite - 77 -
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»selig«, »himmlisch«, »heilig«, die engelhaften, die geschlechtslosen Worte, wie ich sie nennen möchte, sind farblos wie eine leere Leinwand, wie ein Segel: aber eben wie ein Segel, erfüllt vom Sturm des Rhythmus, vom Atem der Begeisterung, bauschen sie sich wunderbar rund auf und tragen empor. Sein Gedicht will niemals bildhaft sein, sondern durchauslichthaft werden (darum wirft es auch keinen plastischen Schatten), es will nicht schildernd etwas Reales der Erde schauen lassen, sondern etwas Unsinnliches, etwas vom geistigen Gefühle ahnend in die Himmel tragen. Darum ist das Entscheidende aller Hölderlinschen Gedichte der Aufsturm nach oben; sie fangen alle, wie er einmal von der tragischen Ode sagt, »im höchsten Feuer an, der reine Geist, die reine Innigkeit hat ihre Grenze überschritten«: die ersten Zeilen seiner Hymnen haben immer etwas vom Kurzen, Abrupten, Losschnellenden eines Abstoßes, das Verswort muß immer erst fort von der Prosa des Daseins, um sich einzuschwingen in sein Element. Bei Goethe fühlt man von der dichterischen Prosa (besonders der Jugendbriefe) gar keinen scharfen Übergang, keine Zäsur zum Vers, zum Gedicht: gleichsam amphibisch lebt er in beiden Welten, in Prosa und Poesie, in Fleisch und Geist. Hölderlin dagegen hat im Sprechen eine schwere Lippe, seine Prosa in Brief und Aufsatz stolpert über philosophische Formeln stockig hin, sie ist ungelenk im Vergleich zur göttlichen Leichtigkeit der ihm natürlichen gebundenen Rede: wie jener »Albatros« im Gedicht Baudelaires kann der auf der Erde nur ungeschickt sich hinschleppen, der in Wolken selig schwebt und ruht. Hat sich Hölderlin aber einmal in die Begeisterung abgestoßen, so flutet ihm der Rhythmus gleichsam wie feuriger Atem von der Lippe, wunderbar bindet sich in kunstvollen Verschränkungen die schwere Syntax, die blendendsten Inversionen kontrapunktieren sich mit einer strahlenden, einer zauberhaften Leichtigkeit: durchsichtig wie feinster Stoff, wie die gläserne Schwinge eines Insektes läßt das »wehende Lied« durch seine klingenden, leuchtenden Flügel den Äther und sein unendliches Blau fühlen. Gerade was bei den anderen Dichtern das Seltenste ist, die Durchgängigkeit des erhobenen Zustandes, das Nicht-Aussetzen im tönenden Gesang, gerade dies ist für Hölderlin das Allernatürlichste: im »Empedokles«, im »Hyperion« stockt der Rhythmus niemals, sinkt nicht eine Zeile für einen Augenblick zur Erde zurück. Es gibt keinen Prosaismus mehr für den Enthusiasmierten: er spricht Dichtung wie eine fremde Sprache, im Vergleich zur Prosa des Lebens. Diese Herrlichkeit, diese absolute Losgelöstheit von allem Prosaismus, dieser Freischwung im ätherischen Element ist Hölderlin nicht von Anfang gegeben; die Gewalt und Schönheit seines Gedichts wächst in dem Maße, als der Dämon, die Urgewalt seines Innern, die Bewußtheit in ihm verdrängt. Hölderlins poetische Anfänge sind wenig bemerkenswert und vor allem 77
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Titel
Der Kampf mit dem Dämon
Untertitel
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Autor
Stefan Zweig
Datum
1925
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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