Seite - 82 - in Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
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herablassender Protektion ein Gedicht in den Almanach und sperrt sich den
andern. Und dieses Schweigen der Welt bricht allmählich seinen Mut. Zwar
weiß er in tiefster Seele, »das Heilige bleibt immer heilig, wenn es die
Menschen auch nicht achten«, aber es wird immer schwerer, die
Weltgläubigkeit zu bewahren, wenn sie keine Mitteilsamkeit findet. »Unser
Herz hält die Liebe zur Menschheit nicht aus, wenn es nicht Menschen hat,
die es liebt.« Seine Einsamkeit, lange seine sonnige Burg, verwintert und wird
starr wie Eis. »Ich schweige und schweige, und so häuft sich eine Last auf
mir … die den Sinn wenigstens unwiderstehlich mir verfinstern muß«, stöhnt
er auf, und ein andermal in einem Briefe an Schiller: »Ich friere und starre in
den Winter, der mich umgibt. So eisern mein Himmel, so steinern bin ich.«
Aber niemand bringt ihm Wärme in seine Einsamkeit, »es sind so wenige, die
noch Glauben an mich haben«, klagt er resigniert, und allmählich verliert
sogar er selbst den Glauben an sich. Sinnlos erscheint ihm, was ihm das
Heiligste, die Urmission seines Lebens seit Kindertagen gewesen, er beginnt
an der Dichtung zu zweifeln. Die Freunde sind fern, die Stimme, die ersehnte,
des Ruhmes schweigt.
Indessen dünket mir öfters
Besser, zu schlafen, wie so ohne Genossen zu sein,
So zu harren und was zu tun indes und zu sagen
Weiß ich nicht und wozu Dichter in dürftiger Zeit?
Noch einmal hat er die Unmacht des Geistes gegen die stählerne
Wirklichkeit erfahren, noch einmal beugt er die müdgedrückte Schulter ins
Joch und verkauft sich noch einmal »ins abseitige Leben« hinein, da es
unmöglich für ihn ist, »bloß von der Schriftstellerei zu leben, wenn man nicht
gar zu dienstbar hierin sein will«. Eine selige Herbststunde bloß darf er die
geliebte Heimat wiedersehen, mit Freunden in Stuttgart die »Herbstfeier«
begehen. Dann aber nimmt er wieder den abgeschabten Magisterfrack und
wandert als Hauslehrer hinaus in die Schweiz nach Hauptwyl, in die
Knechtschaft des Tages.
Hölderlins prophetisches Herz weiß genau um das Sinken der Sonne, um
die eigene Dämmerung und den nahenden Untergang. Wehmütig hat er von
der Jugend Abschied genommen. – »Endlich, Jugend, verglühst du ja« – und
die Abendkühle weht schaurig durch sein Gedicht.
Wenig lebt ich. Doch atmet kalt
Mein Abend schon. Und stille, den Schatten gleich
Bin ich schon hier; und schon gesanglos,
Schlummert das schaudernde Herz im Busen.
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Der Kampf mit dem Dämon
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
- Titel
- Der Kampf mit dem Dämon
- Untertitel
- Hölderlin · Kleist · Nietzsche
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1925
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- Teil 1 - Hölderlin 15
- Die heilige Schar 17
- Kindheit 21
- Bildnis in Tübingen 26
- Mission des Dichters 29
- Der Mythus der Dichtung 34
- Phaeton oder die Begeisterung 40
- Ausfahrt in die Welt 46
- Gefährliche Begegnung 48
- Diotima 56
- Nachtigallengesang im Dunkeln 61
- Hyperion 63
- Der Tod des Empedokles 68
- Das Hölderlinsche Gedicht 74
- Sturz ins Unendliche 81
- Purpurne Finsternis 87
- Scardanelli 91
- Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
- Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
- Tragödie ohne Gestalten 145
- Doppelbildnis 149
- Apologie der Krankheit 153
- Der Don Juan der Erkenntnis 161
- Leidenschaft der Redlichkeit 166
- Wandlungen zu sich selbst 172
- Entdeckung des Südens 178
- Flucht zur Musik 185
- Die siebente Einsamkeit 189
- Der Tanz über dem Abgrund 193
- Der Erzieher zur Freiheit 199