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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Seite - 88 -
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meteorisches Metall und voll der magischen Mächte ihres außerirdischen Ursprungs. Jedes wahre Gedicht stellt sonst gleichsam ein Gewebe aus unbewußtem und bewußtem Kunstverstande dar, bald ist der eine Einschlag, bald der andere stärker durchwoben: durchaus typisch ergibt sich im normalen Wesensgang (etwa bei Goethe) die Erscheinung, daß im Alter der Reife der technische Einschuß, der irdische also, den inspirativen überwiegt, daß sich Kunst, ursprünglich ein wissendes Ahnen, in eine weise Meisterschaft verwandelt. Bei dem Hölderlinschen Gedicht dagegen verstärkt sich im Gegenteil immer der inspirative, der dämonische, der genial improvisierende Einschlag, indes die intellektuelle, die kunstfertige, die planende Webkette vollkommen abreißt. Die Zeilen fluten quer übereinander, einzig dem Klange nachrauschend; jeder Damm, jede Zäsur, jede Form wird überströmt von dem Schwall der Musik. Denn der Rhythmus ist schon selbstherrlich geworden, die Urmacht strömt ins Unendliche zurück. Manchmal spürt man noch bei Hölderlin, dem von sich selbst Hinweggezogenen, eine Art Gegenwehr gegen diese Übermacht, man merkt, wie er sich müht, einen einzelnen dichterischen Einfall festzuhalten, ihn gesteigert fortzubilden. Aber immer reißt ihm die bildernde Woge das Halbgestaltete fort, und er stöhnt: Ach, wir kennen uns wenig, Denn es waltet ein Gott in uns. Immer mehr verliert der Unmächtige das Steuer seiner Dichtung. »Wie Bäche reißt das Ende von Etwas mich hinweg, das sich wie Asien ausdehnt«, sagt er von der Übermacht, die ihn von sich selbst wegzieht – es ist, als sei alle Griffkraft seines Gehirns erlahmt, und lose fallen die Gedanken ins Leere: immer endet als tragisches Stammeln, was als herrliches, kühn aufgeschwungenes Pathos sich erhoben. Der Faden der Rede verknäult sich, ohne daß Anfang und Ende zusammenzufinden sind: oft entfällt dem leicht Ermüdbaren in plötzlicher Gedankenohnmacht der begonnene Gedanke. Mit gleichsam zitternder, offenbar ungeschickter Hand kleistert er dann die hilflosen Übergänge mit einem flachen »nämlich« oder »es ist aber« zusammen oder macht ermattet vorzeitigen Schluß seiner Rede mit einem resignierten »Vieles wäre zu sagen davon«. Aber diese scheinbar stammelnden Laute, denen oft die äußerliche Kohärenz des Gedankens fehlt; sind magisch gebunden durch einen höheren Sinn. Einzelheiten vermag der von dem Gerank des zufälligen Einfalls »wie mit üppigem Kraut überwucherte« Geist nicht mehr zu vernieten, aber Hölderlin erreicht in seinem rhythmischen Taumel oft einen Tiefsinn der Rede, wie sie ihm das Wachsein niemals gegeben – »Göttersprüche regnen nieder, und es tönt im innersten Haine«. Was sein neues Gedicht, sein 88
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Titel
Der Kampf mit dem Dämon
Untertitel
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Autor
Stefan Zweig
Datum
1925
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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