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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Seite - 130 -
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fühlen, nur sein Vorbild, die »Novelas ejemplares« des Cervantes, ihr selig leichtes Verraten, ihr spitzbübisches Schalten mit Versteck und Geheimnis, und Kleistens gespannte, pralle, mit Aufregung geladene Technik, die aus Nüchternheit einen Exzeß macht und gleichsam mit verbissenen Zähnen zum Leser redet. Er will kühl sein und wird eisig, er will mit leiser Stimme reden und redet gepreßt, er will streng erzählen, lateinisch, taciteisch, und krampft die Sprache. Immer, zur Rechten und zur Linken fährt Kleist titanisch in die Übertreibung hinein. Nie ist die deutsche Sprache mehr gehärtet worden, nie aber war sie auch mehr metallen kalt, mehr eisern glanzlos als in der Kleistschen Prosa: er handhabt sie nicht (wie Hölderlin, Novalis und Goethe) gleich einer Harfe, sondern gleich einer Waffe, gleich einem Pflug mit unerbittlicher Gewaltsamkeit. Und in dieser unbiegsamen, harten, bronzen gequollenen Sprache erzählt er dann – ewiger Fanatiker des Gegensatzes – die heißesten, die packendsten, die jagendsten Stoffe, seine kalte, protestantisch strenge Nüchternheit und Klarheit ringt mit den phantastischsten, unwahrscheinlichsten Problemen. Er verrätselt künstlich den Gegenstand, verknäult listig das Gespann der Erzählung nur um der harten und bösen Freude willen, den Zuschauer zu ängstigen, zu ergreifen, zu erschrecken, um dann mit einem Riß knapp vor dem Niedersturz die straffen Zügel zurückzureißen: wer hinter dieser scheinbaren Kälte Kleistens als Erzähler nicht seine dämonische Lust fühlt, den andern dorthin zu jagen, wo seine eigene Hausung ist, in die gewaltsame Empfindung, tief hinein in Grauen und ins Gefährliche, dem mag diese Technik scheinen, was in Wahrheit Umwendung tiefster Leidenschaftlichkeit ist, Fanatiker der Selbstvergewaltigung. Alles Nicht-Gute, alles Versteckte und Verschlagene Kleistens verrät sich in seiner Zurückstauung, weil Ruhe, Herrschaft und Meisterschaft wider sein innerstes Wesen war: Ungezwungenheit, die höchste Magie des Künstlers, mußte ihm gerade dort sich versagen, wo er die Widernatur seines Wesens, gebändigte Ruhe, sich zum Gesetze erzwingen wollte. Aber doch: wie vieles erzwingt sein Wille, sein dämonisch starker Wille von der Prosa, wie stahlhart preßt er in diesen Novellen das Blut in die Adern der Sprache! Am stärksten empfindet man diese Meisterschaft bei den zufallslosen, bei den absichtslosen Stücken, bei jenen kleinen Anekdoten und Berichten, die er ohne jeden angespannten Kunstwillen für seine Zeitung schrieb, bloß um eine freigebliebene Spalte zu füllen. Zwanzig Zeilen Polizeibericht, eine Reiterepisode aus dem Siebenjährigen Krieg ballt sein plastischer Wille zu unvergänglicher Form: kein Luftbläschen Psychologie dringt da in den durchsichtigen Glasguß der Erzählung, in dem das Sachliche geradezu magisch transparent wird. In den größeren Novellen ist die Anstrengung zur Objektivität schon sichtbar. Jene echt Kleistische 130
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Titel
Der Kampf mit dem Dämon
Untertitel
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Autor
Stefan Zweig
Datum
1925
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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