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Der Kampf mit dem Dämon - Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Seite - 141 -
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Strenge, Krampfige seines Zugriffs schön gelockert in Melodie – zum erstenmal schwebt er im Wort, schwebt er im Gefühl: die Erde hat ihn nicht mehr. Und so hochschwebend – »wie zwei fröhliche Luftschiffer«, sagt er in seinem Todesbriefe – sieht er noch einmal nieder auf die Welt, und sein Abschied ist ohne Groll. Die eigene Bitternis, er versteht sie nicht mehr, alles scheint so nieder, so fern und sinnlos, was ihn bedrängt, seit er es schon aus der Unendlichkeit sieht. Bereits der andern Frau in den Tod verschworen, denkt er noch jener, für die er gelebt, die ihn geliebt: Marie von Kleist; ihr schreibt er aus innerster Seele Abschied und Bekenntnis. Er umarmt sie noch einmal im Geiste, aber nun ohne Gier und Überschwang, wie einer, der ins Ewige geht. Dann schreibt er Ulrike, der Schwester: noch zuckt die Erbitterung über die erlittene Schmach in seiner Seele, und die Worte werden hart. Aber acht Stunden später, im Sterbezimmer, bei Stimmings, ganz aufgeschwungen schon im Vorgefühl, erscheint’s ihm als Unrecht, aus seiner Seligkeit noch irgend jemanden zu kränken; er schreibt ein zweites Mal, liebevoll der einst Geliebten und voll Vergebung, und wünscht ihr das Beste. Und dies Beste, das Kleist vom Leben zu wünschen weiß, heißt: »Möge Dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit, dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für Dich aufzubringen weiß.« Nun ist Ordnung geschaffen, der Friedlose befriedet; unvergleichlichstes, unwahrscheinlichstes Geschehen, Kleist, der Zerrissene, fühlt sich in Verbundenheit mit der Welt. Der Dämon hat keine Macht mehr, ihn zu treiben; was er von seinem Opfer wollte, ist erreicht. Noch einmal blättert der schon Ungeduldige in seinen Papieren: ein Roman liegt vollendet, zwei Dramen, die Geschichte seines Innern – niemand will sie, niemand kennt sie, niemand soll sie kennen. Auch der Stachel des Ehrgeizes dringt nicht mehr in die gepanzerte Brust, achtlos verbrennt er seine Manuskripte (darunter den »Homburg«, der nur durch eine zufällige Abschrift gerettet bleibt): zu klein scheint ihm der kärgliche Nachruhm, dies literarische Leben in Jahrhunderten, vor seinen Äonen. Nun ist nur Kleines mehr zu erledigen, aber auch dies tut er sachlich und sorglich, an jeder Verfügung erkennt man den klaren, durch keine Angst oder Leidenschaft verwirrten Geist. Ein paar Briefe soll Peguilhen besorgen, die Schulden bezahlen lassen, die er sorglich Pfennig für Pfennig registriert, denn das Pflichtgefühl begleitet Kleist bis in den »Triumphgesang seines Todes«. Es gibt vielleicht keinen zweiten Abschiedsbrief, der dermaßen durchwaltet ist von der Dämonie der Sachlichkeit, wie jener an den Kriegsrat: »Wir liegen erschossen auf dem Wege nach Potsdam«, beginnt er – mit der gleichen unerhörten Kühnheit wie in den Novellen das Geschehnis an den Anfang drängend, und wie in den 141
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Der Kampf mit dem Dämon Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Titel
Der Kampf mit dem Dämon
Untertitel
Hölderlin · Kleist · Nietzsche
Autor
Stefan Zweig
Datum
1925
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 5
  2. Teil 1 - Hölderlin 15
    1. Die heilige Schar 17
    2. Kindheit 21
    3. Bildnis in Tübingen 26
    4. Mission des Dichters 29
    5. Der Mythus der Dichtung 34
    6. Phaeton oder die Begeisterung 40
    7. Ausfahrt in die Welt 46
    8. Gefährliche Begegnung 48
    9. Diotima 56
    10. Nachtigallengesang im Dunkeln 61
    11. Hyperion 63
    12. Der Tod des Empedokles 68
    13. Das Hölderlinsche Gedicht 74
    14. Sturz ins Unendliche 81
    15. Purpurne Finsternis 87
    16. Scardanelli 91
  3. Teil 2 - Heinrich von Kleist 95
    1. Der Gejagte 97
    2. Bildnis des Bildnislosen 100
    3. Pathologie des Gefühls 103
    4. Lebensplan 111
    5. Ehrgeiz 115
    6. Der Zwang zum Drama 119
    7. Welt und Wesen 125
    8. Der Erzähler 129
    9. Die letzte Bindung 133
    10. Todesleidenschaft 136
    11. Musik des Untergangs 140
  4. Teil 3 - Friedrich Nietzsche 143
    1. Tragödie ohne Gestalten 145
    2. Doppelbildnis 149
    3. Apologie der Krankheit 153
    4. Der Don Juan der Erkenntnis 161
    5. Leidenschaft der Redlichkeit 166
    6. Wandlungen zu sich selbst 172
    7. Entdeckung des Südens 178
    8. Flucht zur Musik 185
    9. Die siebente Einsamkeit 189
    10. Der Tanz über dem Abgrund 193
    11. Der Erzieher zur Freiheit 199
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