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14 | Kommunen im Klimawandel
explizit auf dem Ansatz des Wissens- und Maßnahmentransfers aufbauen (Radaelli
2004; Vettoretto 2009; Tedesco 2010; Stead 2012; Boulanger und Nagorny 2018).
Dies schlägt sich in der zunehmenden Förderung von Leuchtturmprojekten nieder
mit dem Ziel, dass erfolgreiche Beispiele viele Nachahmer finden und so zum ge-
wünschten Systemwandel beitragen. Das „Prinzip der Nachahmung“ soll verhindern,
dass das Rad immer wieder neu erfunden werden muss. Schließlich sehen sich alle
europäischen Regionen im Kampf gegen den Klimawandel mit ähnlichen Problemen
konfrontiert. Warum soll also jeder seine eigenen Lösungen entwickeln, wenn es
schon ausreichend gute Beispiele gibt, die nur übertragen werden müssen? Die Über-
nahme erfolgreicher Praktiken an möglichst vielen verschiedenen Orten, so der
Glaube, führt zu Skaleneffekten und so zu signifikanten Einsparungen von Zeit, Geld
und Personal.
Besonders intensiv konnte ich diese Logik beim Climate-KIC Innovationsprojekt
„Transition Cities“ beobachten, in dem ich selbst für das Arbeitspaket „Bildung, Ver-
breitung und Kommunikation“ zuständig war. Seit Anfang 2014 arbeiten in diesem
Projekt acht Kommunen aus sechs europäischen Regionen zusammen daran, die
Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft unter anderem mithilfe von
sogenannten „Experimenten“ zu beschleunigen. Dabei hatte man sich anfänglich das
Ziel gesetzt, bis Ende 2016 18 innovative Pilotprojekte (die sogenannten Experi-
mente) in den Bereichen Energie, Gebäude und Mobilität zu testen und diese erfolg-
reichen Experimente dann mindestens 18 Mal an anderen Orten zu replizieren (Tran-
sition Cities 2013). Dafür standen jedem Partner jährlich bis zu 50.000 EUR an För-
dergeldern zur Verfügung. Ein Key Performance Indicator (KPI) – also eine Leis-
tungskennzahl, durch die der Projektfortschritt hinsichtlich seiner Zielsetzungen ge-
messen werden soll – des Transition Cities-Projekts sollte zeigen, dass zwischen den
Projektpartnern konkrete Nachahmungsprozesse stattfinden (F-161107-Frankfurt).
Replikationsprozesse aufzuzeigen war politisch extrem wichtig, um den jährlichen
Mittelzufluss zu sichern und ein Anschlussvorhaben zu ermöglichen (F-150629-Bre-
slau). Doch in der Praxis stellte sich schnell heraus, dass das Kopieren und Übertra-
gen erfolgreicher Beispiele schwieriger ist als gedacht (F-150417-Birmingham).
Auch verschiedene Studien zu Best Practices zeigen, dass nur in den wenigsten Fäl-
len Maßnahmen tatsächlich übertragen werden. Man spricht daher auch von einer
„internal stickiness“ (Szulanski 1996) oder „local stickiness of best practices“ (Bul-
keley 2006) bzw. „sticky experiments“ (Webber 2015). Auch im Transition Cities-
Projekt gab es bis heute nur einen einzigen Versuch der Replikation eines erfolgreich
durchgeführten Experiments (ein weiterer ist aktuell in Planung), sodass die Bilanz
eher ernüchternd ausfällt: „Learning between the cities didn’t take place so far.“ (F-
161107-Frankfurt)
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315