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Kommunen im Klimawandel | 49
Staaten sowie zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren auf globaler, na-
tionaler, lokaler oder organisatorischer Ebene (Lemke 2011). Hierarchie oder Markt
sind dann nur ein Muster neben anderen. Die Verwendung des Governance-Begriffs
verweist auf eben dieses „erweiterte Spektrum von Möglichkeiten des koordinierten
kollektiven Handelns“ (Benz et al. 2007: 14). Governance beschreibt damit einen
Regierungsstil, der sich durch strategische Steuerung statt durch gesetzliche Kon-
trolle auszeichnet; Partnerschaften autoritärer Vollstreckung vorzieht; Vernetzung
anstelle von Bürokratisierung propagiert und Regierung als Praxis und nicht als eine
Reihe von Institutionen (der Nationalstaat, die EU, die UNO) versteht (Walters 2012:
65). „Governance als Realität nicht-hierarchischer, netzwerkförmiger oder koopera-
tiver Politik“ (Benz et al. 2007: 15) gilt zwar insbesondere im internationalen Kontext
als weit verbreitet, ist aber auch auf subnationaler Ebene – wie eben auch in der
Klimapolitik – zu beobachten. Damit verschob sich in der Governance-Forschung die
analytische und theoretische Ausrichtung weg von Institutionen hin zu Regelprozes-
sen außerhalb formal-politischer Institutionen („from government to governance“).
Das Forschungsinteresse richtet sich daher auf die wachsenden Interdependenzen
zwischen politischen Organen und anderen sozialen und wirtschaftlichen Akteuren
als wichtige Mechanismen der sozialen Regulation. Besonderes Interesse gilt dabei
der Erfassung von neuen Netzwerken und öffentlich-privaten Partnerschaften, die aus
den Wechselwirkungen zwischen zivilgesellschaftlicher und politisch-administrati-
ver Sphäre entstehen (Walters 2012).
Der spezifischere Begriff „Multi-Level-Governance“ (MLG) wurde in den
1990er Jahren vom US-amerikanischen Politologen Gary Marks (1993) in der Poli-
tikwissenschaft als Konzept zur Analyse und Beschreibung der EU-Politik entwi-
ckelt. Der Begriff und das Konzept sollen – im Unterschied zu sogenannten staats-
zentrierten Ansätzen, welche die EU-Staaten bzw. deren Regierungen als die zentra-
len und alles entscheidenden Akteure betrachten – deutlich machen, dass in der EU
kein politisches Zentrum und keine Hierarchie im klassischen Sinne existieren. Die
unterschiedlichen Ebenen sind nach dem Verständnis von MLG erst durch die enge
Zusammenarbeit und die Mitwirkung aller Ebenen zu effizienten Problemlösungen
in der Lage (Bache und Flinders 2004; Piattoni 2010).
Das Konzept der MLG hat sich seit den 1990er Jahren nicht nur in der EU-For-
schung etabliert, sondern findet auch darüber hinaus in vielen weiteren Forschungs-
feldern Beachtung. Dies ist insbesondere in der Umwelt- und Klimapolitik der Fall,
die als zunehmend komplex und verbunden im Hinblick auf die verschiedenen Level
der Governance (Abbildung 7), den Umfang der beteiligten Akteure und die Verbin-
dungen zu anderen Themenbereichen beschrieben wird (Fairbrass und Jordan 2004;
Brunnengräber und Walk 2007). Es ist daher nur folgerichtig, dass die Entstehung
der MLG-Forschung auch in die Initiierungsphase der Kommunalisierung bzw. Res-
kalierung der Klimapolitik fällt und die ersten Arbeiten zur Klimagovernance in der
ersten Wachstumsphase um 2007 entstanden (vgl. Tabelle 1), denn Prozesse der
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315