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Kommunen im Klimawandel | 59
jedoch in der Forschung (zu) oft Metropolen oder Ballungszentren im Mittelpunkt,
wenn es darum geht, gelungene Klimaschutzmaßnahmen aufzuzeigen (Krampe et al.
2015).
Zweitens täuscht die starke Betonung der transformativen Kraft der Städte für die
Lösung der Klimakrise darüber hinweg, dass sich die breite Masse der Kommunen
in Deutschland nur deshalb im Klimaschutz engagiert, weil dafür umfangreiche För-
derprogramme der Bundesregierung zur Verfügung stehen (siehe auch Abschnitt
#Klimawandel als Problem kommunaler Praxis) – wie mir während meines ersten
Forschungspraktikums in Berlin erklärt wurde: „Erst das BMUB schuf eine nationale
Szene für den kommunalen Klimaschutz durch die Kommunalrichtlinie.“ (F-150316-
Berlin)
Die Artikulation des Klimawandels als MLG-Problem hebt zwar die Wichtigkeit
und Abhängigkeit der verschiedenen Ebenen hervor, doch die weiter an Popularität
und Einfluss gewinnende Problematisierung der Stadt als Lösung für das Klimapro-
blem unterminiert die Bedeutung nationalstaatlicher Politiken. Sowohl die Problema-
tisierung der Stadt als Lösung für das Klimaproblem als auch die Vorstellung, Kli-
maschutz als wirtschaftliche Chance zu begreifen (im folgenden Abschnitt #Klima-
wandel als ökonomisches Problem) suggerieren, dass die meisten Kommunen aus
Eigenantrieb Klimaschutz betreiben. Zum einen, um zur Lösung eines globalen
Menschheitsproblems beizutragen; zum anderen, um sich einen Standortvorteil im
internationalen Städtewettbewerb zu verschaffen. Ob Kommunen tatsächlich so viel
ambitionierter sind als Nationalstaaten, ist jedoch zweifelhaft. Fakt ist, dass kommu-
naler Klimaschutz in Deutschland fast ausschließlich über regionale, nationale oder
europäische Förderprogramme läuft, da es sich nicht um eine kommunale Pflicht han-
delt, sondern um eine freiwillige Aufgabe. Abgesehen von einigen Pionierstädten,
die bereits seit Anfang der 1990er im Klimaschutz aktiv sind, sind die mehr als 3000
Städte, Gemeinden, Landkreise und Dörfer, die bisher Klimaschutzmaßnahmen in
Deutschland umgesetzt haben (BMUB 2015a), keine reinen Überzeugungstäter: Die
ökonomischen Anreize durch die unterschiedlichen Fördertöpfe sind oft ein gewich-
tiger Grund für Kommunen, aktiv zu werden. Kommunaler Klimaschutz als „Trend“
wurde daher stark von der Bundesregierung gesetzt und gestaltet: „Fast alle Stellen
und Projekte im kommunalen Klimaschutz sind vom Bund oder Land gefördert,
wenn diese Förderung wegfallen würde, würde ein Großteil der Aktivitäten brach
fallen.“ (F-150312-Rheine)
Erst explizite Förderung des Klimaschutzes (und z.B. nicht die der Energiewende
oder der Klimaanpassung) durch die Bundesregierung hat dazu geführt, dass heute
so viele Kommunen in Deutschland Klimaschutz betreiben. Kommunaler Klima-
schutz als eigene Disziplin entwickelte sich somit hauptsächlich deshalb, weil die
Kommunalrichtlinie existiert. Pragmatismus und Opportunismus überwiegen dabei
oft umweltpolitische Ambitionen und „Weltrettungs-Bestrebungen“: Fördermittel
werden häufig zur Hauptdaseinsberechtigung für kommunale Klimaschutzleitstellen.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315