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Kommunen im Klimawandel | 63
Diese spezifische Problematisierung erklärt, warum sich Klimaschutz hauptsächlich
auf zwei Pfeiler stützt: den Ausbau der erneuerbaren Energien, der als kommunale
Einnahmequelle und Jobmotor dient, sowie die Steigerung der Energie- und Ressour-
ceneffizienz, die den kommunalen Haushalt durch Einsparungen entlastet. Beide er-
halten den scheinbaren Gleichklang der Ziele von Klimaschutz, Energieautonomie
und nachhaltiger Regionalentwicklung aufrecht. Kommunaler Klimaschutz wird so
zu einem „socio-institutional fix“, der hilft, die alten Wachstumspfade in der aktuel-
len Situation der Finanz- und Klimakrise zu sichern (While et al. 2004). Daher sind
Klimaschutzmaßnahmen für politische und wirtschaftliche Eliten nur dann denkbar,
wenn sie auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Was zählt, sind gesteigerte
lokale Wertschöpfung oder die Höhe an Investitionen, die aus ihnen generiert werden
können; die eingesparten Tonnen an CO2 sind da meist nur schmückendes Beiwerk
(Janković und Bowman 2014). Klimaschutz muss über „Co-Benefits“ vermarktet
werden, also positive Nebeneffekte – und das sind in erster Linie Kosteneinsparungen
und die Steigerung der regionalen Wertschöpfung, wie die Leiterin der Klimaschutz-
leitstelle einer Masterplankommune betont: „Wir müssen uns immer fragen: Welche
Vorteile hat die regionale Energiewende für unsere Stadt und die Region? Ich rede
dabei weniger über Klimaschutz und warum wir das machen müssen, sondern wir
reden mehr über regionale Wertschöpfungsketten“ (IK-8, 2015: 8).
Die OECD (Hammer et al. 2011: 34) fasst zusammen, wie die Fusion von städti-
schem Wachstum und Klimaschutz aussehen kann:
„Urban green growth means fostering economic growth and development through urban acti-
vities that reduce negative environmental externalities, the impact on natural resources and the
pressure on ecosystem services. The greening of the traditional urban economy and expanding
the green urban sector can generate growth (through increased supply and demand), job crea-
tion and increased urban attractiveness. These effects are in part the result of stronger interac-
tions at the urban level among economic efficiency, equity and environmental objectives.“
So wird eine klimaneutrale Stadtentwicklung zum Kern städtischer Wettbewerbsfä-
higkeit gemacht, die mithilfe neuer Stadtentwicklungsprojekte, die Fragen der Um-
welt- und Lebensqualität ins Zentrum stellen, neue Räume und Möglichkeiten der
Kapitalakkumulation eröffnet (Tretter 2013). Bei effizienter Umsetzung hofft man,
die innerstädtische Wertschöpfung zu erhöhen, nötige Finanzmittel in der Stadt zu
halten und das städtische Klima nachhaltig zu verbessern: „Städte mit nachhaltigen
Strukturen bieten eine höhere Lebensqualität und steigern ihre Wettbewerbsfähig-
keit.“ (Stadt Rheine 2013: 111). Die verbesserte Lebensqualität wiederum führt zu
einem Imagegewinn und einer Attraktivitätssteigerung der Kommune, sodass sie ihre
interkommunale Wettbewerbsfähigkeit insgesamt erhöht. Kommunale Leitbilder der
Klimaneutralität können daher nicht als ökologische Rationalität oder gar alternative
Politik verstanden werden, sondern vielmehr als ein integraler Teil der räumlichen
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315