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66 | Kommunen im Klimawandel
Gespräche mit mehr als zwanzig kommunalen Klimaschutzmanagern zeigte sich,
dass die Problematisierung des Klimawandels in der kommunalen Praxis anders ar-
tikuliert wird als im politisch-wissenschaftlichen Diskurs (vgl. auch Benz et al. 2015;
Heinelt und Lamping 2015; Zimmermann et al. 2015; Mattissek und Sturm 2017;
Sturm und Mattissek 2018). Zwar finden sich alle drei von mir identifizierten Haupt-
argumentationslinien auch in der kommunalen Praxis, deren Gewichtung und Inter-
pretation weichen zum Teil jedoch stark ab.
Die Problematisierung des Klimawandels als MLG-Problem ist auch in der kom-
munalen Praxis sehr präsent. Klimawandel wird als (kommunale) Querschnittsauf-
gabe gesehen, die systematisch gesteuert und nur gemeinsam mit weiteren (kommu-
nalen) Akteuren angegangen werden kann. Je nach individueller Interessenlage der
Kommune wird die Artikulation von Klimawandel als MLG-Problem flexibel dazu
genutzt, entweder die Kommune oder Region als Handlungsebene qualitativ aufzu-
werten – das heißt, die eigene politische Ebene als Schlüssel zur Problemlösung dar-
zustellen –, oder den Bedarf an unterstützenden Rahmenbedingungen auf Landes-,
Bundes- und EU-Ebene zu unterstreichen und den eigenen Handlungsspielraum im
komplexen MLG-Geflecht herunterzuspielen. Gleichzeitig ist die Ausgestaltung der
Klimapolitik als MLG-Problem einer der Hauptgründe, warum viele Kommunen
überhaupt im Klimaschutz aktiv werden, da diese Form der Problematisierung zur
Einrichtung von Förderprogrammen auf übergeordneten politischen Ebenen führte,
die lokale Regierungen zum Handeln animieren sollen und auch tun.
Weniger starke Rezeption in der kommunalen Praxis erfährt die Problematisie-
rung des Zusammenhangs zwischen Klimawandel und Urbanisierung. Verständli-
cherweise greifen nur wenige Kommunen die Argumentation der Stadt als Ursache
für den Klimawandel auf. Insbesondere frühe Pioniere des kommunalen Klimaschut-
zes und besonders klimaaktive Kommunen begründen hierin jedoch ihre herausra-
gende Verantwortung für einen ambitionierten Klimaschutz. Andere, oft Großstädte,
argumentieren, dass sie bereits die negativen Auswirkungen des Klimawandels spü-
ren und erklären so ihre Klimaschutzaktivitäten. Das Problemlösungspotenzial von
Städten in Bezug auf den Klimawandel wird von den kommunalen Akteuren selbst
hingegen nicht so offensiv kommuniziert. Stattdessen wird meist auf die MLG-Prob-
lematik verwiesen. Da Deutschland insbesondere von kleinen und mittleren Kommu-
nen geprägt ist, wird die dominante Problematisierung der Urbanisierung in der kom-
munalen Praxis teilweise als kontraproduktiv zurückgewiesen, da die Bedeutung von
ländlichen Räumen und kleinen Kommunen dadurch marginalisiert werde.
Die dominanteste Form der Problematisierung in der kommunalen Praxis ist die
Artikulation von Klimawandel als ökonomisches Problem bzw. Chance. Hauptargu-
ment für einen aktiven Klimaschutz in Kommunen sind wirtschaftliche Vorteile; sei
es in Form von positiven Effekten für die regionale Wertschöpfung, in Form von
(Energie-)Kosteneinsparungen oder in Form von zusätzlichen Fördermitteln. Ohne
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315