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118 | Kommunen im Klimawandel
2. Eng verbunden mit diesem historischen Ansatz ist ein Verständnis von Gou-
vernementalität, das man als nahezu austauschbar mit dem (Neo-)Liberalis-
mus bezeichnen kann. Dies mag damit zusammenhängen, dass Foucault
(2012: 50) in seiner Vorlesung zur Gouvernementalität (1978) über die
„Kunst, die Macht in der Form der Ökonomie auszuüben“, spricht und die
politische Ökonomie „als Hauptwissensform“ der Gouvernementalität identi-
fiziert. Infolgedessen setzt sich ein wesentlicher Teil der Gouvernementali-
tätsstudien mit dem Neoliberalismus als politische Rationalität und deren Re-
gierungstechniken auseinander, die eine Ökonomisierung des Sozialen zum
Ziel haben (Bröckling et al. 2012; siehe auch Dean 1999 [hier insbesondere
Kapitel 8]).
3. Als analytische Perspektive auf Macht und das Regieren von Gesellschaft er-
weiterte Foucault mit dem Konzept der Gouvernementalität schließlich auch
sein Forschungsinstrumentarium, um das Verhältnis von Subjektivierungspro-
zessen zu Herrschaftsformen besser fassen zu können (Lemke 2001). Als spe-
zifischer Untersuchungsstil dient Gouvernementalität hier der Analyse von
Regierungsversuchen und den Techniken und Wissensformen, auf denen sie
aufbauen, indem sie ein Set an methodologischen und konzeptionellen Richt-
linien bereitstellt (Walters 2012). Als wesentliches Ziel einer gouvernementa-
len Regierungsweise definiert Foucault die Selbstführung der Subjekte. Der
Aspekt der „Führung zur Selbstführung“ unterscheidet die Gouvernementali-
tät von anderen Formen der Machtausübung. Die zu lösenden Probleme wer-
den in diesem Zusammenhang nicht mittels Zwang angegangen, sondern gou-
vernementales Regieren heißt, das Verhalten der Menschen so zu gestalten,
dass sie Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen. Die Regierungs-
subjekte sollen dazu ermutigt werden, ihren eigenen freien Willen auszuüben
– vorausgesetzt, dies geschieht in verantwortungsvoller Weise. Führung be-
deutet dann „Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Verhalten zu nehmen“
(Foucault 2005c: 256).
Ich verwende Gouvernementalität in dieser Arbeit in erster Linie als eine analytische
Werkzeugkiste (analog zu Punkt 3), die mir mit den Kategorien der Problematisie-
rung, der Regierungsrationalitäten und der Regierungstechnologien neue geeignete
Perspektiven auf den Klimaschutz als politischen Raum eröffnen kann, indem oft
unhinterfragte und etablierte Denk- und Handlungssysteme, die bestimmte Regie-
rungsstrategien quasi-natürlich erscheinen lassen, kritisch hinterfragbar werden.2 Als
2 Der Aspekt der „Führung zur Selbstführung“ spielt in meiner Arbeit hingegen nur eine
untergeordnete Rolle.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315