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Die Kunst, den Klimawandel zu regieren | 135
geht damit die Untersuchung einher, wie das Praxisregime einerseits zur Entstehung
bestimmter Wissensformen beiträgt und andererseits auch abhängig von diesen ist
und so zum Ziel verschiedener politischer Reformprogramme wird. Besondere Be-
deutung kommt der technischen bzw. technologischen Dimension von Praxisregimen
zu; jenen charakteristischen Techniken, Instrumenten und Mechanismen, durch die
Praxisregime „funktionieren“; durch die sie versuchen, ihre Ziele zu erreichen und
durch die sie ihre Wirkung entfalten (Dean 1999).
Übertragen auf das vorliegende Forschungsinteresse heißt das zu zeigen, wie die
soziale Ordnung „Klimaschutz“ in deutschen Kommunen durch das praktische Zu-
sammenspiel von Klimaschutzmanagern, Städtenetzwerken, Beratern, politischen
Förderprogrammen und Best Practice-Beispielen aus anderen Kommunen erzeugt,
aufrechterhalten und verändert wird. Dabei ist mir wichtig zu zeigen, dass neben den
Praktiken auch die Wissensformen und Wahrheiten, die das Handlungsfeld und die
Wissensbereiche der Praxisregime definieren, eine gewichtige Rolle in der Analyse
von Praxisregimen spielen – denn es geht darum, herauszufinden, wie sich verschie-
dene Rationalitäten und Wissensformen in (Regierungs-)Praktiken herausbilden. Pra-
xisregime, also zum Beispiel die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit dem
Thema Klimawandel umgeht, werden nämlich stets von mannigfaltigen politischen
Programmen durchdrungen, die versuchen, das jeweilige Praxisregime zu steuern
und/oder zu reformieren. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass sich eine
Untersuchung von Praxisregimen nicht nur auf die materiellen Praktiken beschrän-
ken darf, sondern sich auch mit Denkweisen beschäftigen muss, wenn es gilt, die
Logiken von Praktiken zu erkennen.
Für das Politikfeld „kommunaler Klimaschutz“ wurden in der Literatur zwar be-
reits verschiedene Regierungsweisen identifiziert und beschrieben (Tabelle 7), je-
doch erscheinen diese als relativ isolierte Mechanismen oder Steuerungsphasen. In
der frühen Klimagovernance-Forschung identifizieren Bulkeley und Kern (2006) zu-
nächst vier wesentliche Formen der kommunalen Steuerung in Bezug auf Klimawan-
del, und zwar (1) die Selbstverwaltung, (2) die Einführung neuer Gesetze und Ver-
ordnungen, (3) Regieren durch die Bereitstellung von spezifischer Infrastruktur und
(4) Regieren durch Kapazitätsaufbau und Befähigung relevanter Zielgruppen. Später
fügten Bulkeley und Kollegen (Evans 2011; Bulkeley 2013; Bulkeley und Castán
Broto 2013; Bulkeley et al. 2015; Evans et al. 2016) dem noch ein „Regieren durch
Experimente“ hinzu. Anstelle von integrierten und geplanten Ansätzen zur Bewälti-
gung des Klimawandels würden zunehmend stückweise Antworten auf Ad-hoc-Basis
gegeben, wenn sich entsprechende Gelegenheiten böten (wenn z.B. neue Mittel ak-
quiriert wurden). Dieser projektbasierte Regierungsmodus, der „No-regret-Maßnah-
men“ bevorzugt, wird aktuell als dominierende verwalterische Interventionsform im
kommunalen Klimaschutz angesehen. Konzeptionell wird das Experimentieren dann
nicht als einzelne Ad-hoc-Antworten oder einfach als Zufall verstanden, sondern als
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315