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136 | Kommunen im Klimawandel
spezifischer Regierungsmodus, um dem politischen Problem des Klimawandels auf
kommunaler Ebene zu begegnen.
Weitere Autoren untersuchten darüber hinaus konkretere Regierungstechniken
wie etwa das Regieren durch kalkulative Praktiken, z.B. in Form von CO2-Bilanzie-
rungen oder Städterankings (Kitchin et al. 2015; Shore und Wright 2015; Meijer und
Bolívar 2016), durch Bürgerbeteiligung (Rosol 2010, 2015), durch Vernetzung und
Wissenstransfer (Hakelberg 2011, 2014) oder durch die Definition konkreter Ziele
(Morseletto et al. 2017). Statt ein Regieren durch Best Practices jetzt nur als weiteren
Punkt in diese Reihe der Regierungsweisen aufzunehmen, halte ich es für gewinn-
bringender, kommunalen Klimaschutz in Gänze als Praxisregime zu fassen und die
verschiedenen Regierungsweisen und deren Zusammenspiel als Elemente eben die-
ses Praxisregimes zu verstehen. Denn alle diese Regierungsmodi lassen sich mehr
oder weniger stark ausgeprägt in allen klimaaktiven Kommunen beobachten, da sie
in der Logik des Klimaschutzmanagements als geeignete Regierungstechniken ak-
zeptiert sind.
Durch Best Practices werden dann „die besten“ Beispiele dieser unterschiedli-
chen Regierungsweisen verbreitet: Es gibt Praxisbeispiele für eine vorbildliche
„grüne“ Beschaffung (Selbstverwaltung); der Frankfurter oder Heidelberger Pas-
sivhausstandard zirkuliert als Best Practice („Recht und Ordnung“); die klimafreund-
liche Wärmeversorgung durch Fernwärme, wie sie z.B. in Flensburg oder Anklam
bereitgestellt wird, gilt als nachahmenswert (Versorgung); als Blaupause wird der
„Stromspar-Check“ vom BMUB gefördert, damit sozial benachteiligte Bevölke-
rungsgruppen Beratung zum Stromsparen erhalten (Ermöglichung); als erfolgreiches
Praxisbeispiel wird auch der Wettbewerb „Stromfresser gesucht“ der Stadt Rheine
zur Bürgerbeteiligung propagiert (Beteiligung); das CO2-Kompensationsmodell der
Landeshauptstadt Kiel, wo ein System zur Bewertung des Energieverbrauchs bei
neuen Bauvorhaben entwickelt wurde (Kalkulation und Evaluation), wird als vor-
bildlich kommuniziert; in der Region Hannover gibt es eine „Leuchtturmförderung“
für innovative und beispielhafte Klimaschutzprojekte, die dann öffentlichkeitswirk-
sam verbreitet werden (Experimentieren); die Bildung von Netzwerken im kommu-
nalen Klimaschutz, wie z.B. der Zusammenschluss der Stadt Rheine, der Stadt Osn-
abrück, dem Landkreis Osnabrück und dem Kreis Steinfurt zu einer „Masterplanre-
gion“, gilt als Best Practice (Diffusion in Netzwerken); und nicht zuletzt wird insbe-
sondere die Entwicklung und Festschreibung spezifischer Klimaziele durch Klima-
schutzkonzepte als vorbildlich und nachahmenswert in zahlreichen Praxisbeispielen
beschrieben (Ziele).
Ein Regieren durch Best Practices sollte daher nicht einfach als zusätzlicher Re-
gierungsmodus in die Liste (Tabelle 7) aufgenommen werden, sondern stattdessen
als zentrales Vehikel verstanden werden, das dafür sorgt, dass sich die Vorstellungen
eines „guten“ Klimaschutzes innerhalb des Praxisregimes verbreiten und manifestie-
ren und das Problem Klimawandel so regierbar gemacht werden kann. Die Analyse
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315