Seite - 193 - in Kommunen im Klimawandel - Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
Bild der Seite - 193 -
Text der Seite - 193 -
Best Climate Practices | 193
werden, um deren Ziele zu erreichen, sondern im Gegenteil stellen Regierungstech-
nologien selbst oft Vehikel zur Einführung von Managementhandeln in die kommu-
nale Verwaltung dar (Braun 2014). Best Practices als Regierungstechniken verleihen
den politischen Programmen und Rationalitäten somit nicht nur ihre konkrete Gestalt,
machen sie sichtbar und erlauben ihnen gleichzeitig eine Ausdehnung und Verbrei-
tung durch Raum und Zeit, sondern sie tragen auch zur Neugestaltung der Grundla-
gen und Rationalitäten der Regierung bei. Wie ich schon im Kapitel #Kommunen im
Klimawandel beschrieben habe, sind die Zusammenhänge von Problematisierungen,
Rationalitäten und Technologien nicht als linear, sondern zirkulär und interdependent
zu verstehen. Lemke (2007: 62) hebt dementsprechend hervor, dass „Technologien
[…] Rationalitäten nicht aus[drücken], sondern sie […] eine eigene Materialität [ha-
ben], so dass sie für unterschiedliche Ziele eingesetzt werden und verschiedene Be-
deutungen annehmen können – abhängig von ihrer Artikulation innerhalb spezifi-
scher Rationalitäten“.
Das Verhältnis von Rationalitäten zu Technologien ist somit kein Automatismus:
Zwischen beiden Kategorien entstehen immer gegenseitige Anpassungen und mitun-
ter Konflikte, die schließlich auch zum Scheitern des Programms führen können.
Rose et al. (2006) weisen zudem auf die relative Autonomie der Praktiken gegenüber
den Programmen hin, die dazu führe, dass politische Rationalitäten einem ständigen
Veränderungsdruck unterliegen; daher müssten beide Analyseeinheiten als kontin-
gent und sich gegenseitig bedingend verstanden werden. Die Regierungstechnik
„Best Practice“ kann somit nicht einfach als Frage der Umsetzung von idealen Sche-
mata – wie dem Klimaschutzmanagement – in der Praxis verstanden werden (Miller
und Rose 1990). Unerwartete Probleme können z.B. aufgrund dessen auftreten, dass
Technologien oft für eigene Zwecke genutzt werden oder sie auf polit-administrative
Hürden wie Unterfinanzierung, persönliche Animositäten oder Rivalitäten zwischen
Abteilungen treffen, die eine reibungslose Umsetzung von Best Practices behindern.
Darum ist es wichtig, Regierungsversuche weniger in Bezug auf ihren Erfolg zu ver-
stehen, und stattdessen stärker die Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen, die in
der Operationalisierung auftreten. Regieren muss als eine Aktivität von ständigem
Experimentieren, Erfinden, Misserfolg, Kritik und Anpassung verstanden werden
(Miller und Rose 1990). Wenn wir die chaotische Arbeit hinter den Kulissen sowie
die unsichtbare Politisierung des kommunalen Klimaschutzes ignorieren, riskieren
wir, das Regieren durch Best Practices weit kohärenter und unumstrittener darzustel-
len, als es tatsächlich ist (Walters 2012).
Dieses Kapitel #Best Climate Practices will daher nachvollziehen, wie der Regie-
rungsprozess im kommunalen Klimaschutz mithilfe von guten Praxisbeispielen kon-
kret gestaltet wird, um den Diskurs des Klimaschutzmanagements und das Prinzip
der Nachahmung – die Regierungsrationalitäten – in die Regierungspraxis zu über-
führen und zu verwirklichen. Mein Hauptanliegen ist es, die Produktion, die Inhalte
sowie die Anwendung und Funktionen von Best Practice-Modellen als Instrumente
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315