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Best Climate Practices | 199
im Folgenden detaillierter zu beleuchten, wie Best Practices im kommunalen Klima-
schutz identifiziert, welche als die „besten“ und nachahmenswertesten Praktiken aus-
gewählt und welche Selektionskriterien dabei herangezogen werden.
In der Praxis dominiert der bereits erwähnte Case Study-Ansatz: Experten von
kommunalen Städtenetzwerken, aus Forschungseinrichtungen, Behörden und Mini-
sterien oder von Beratungsfirmen suchen in Datenbanken, im Internet, auf Konferen-
zen, in der Literatur oder durch persönliche Gespräche nach Beispielen, die als Best
Practices geeignet erscheinen. Nach der Identifikation und Auswahl passender Maß-
nahmen erfolgt meist die Beschreibung auf Aufbereitung als nachahmenswertes Pra-
xisbeispiel (und weniger als Blaupause), von dem andere Kommunen lernen oder
welches sie eventuell direkt anpassen und übernehmen können. Doch der Prozess
geht weitaus weniger systematisch vonstatten, als es auf den ersten Blick erscheinen
mag. Denn genau wie der kommunale Klimaschutz ist auch die Best Practice-Pro-
duktion keine Daueraufgabe, sondern in den meisten Fällen an die Durchführung von
Projekten oder Beauftragungen geknüpft (vgl. #Best Practices als Projektergebnis).
Das heißt, die finanziellen, personellen und zeitlichen Kapazitäten für die Best Prac-
tice-Aufbereitung sind limitiert. Die große Anzahl an klimaaktiven Kommunen –
durch die NKI wurden in Deutschland zwischen 2008 und 2016 mehr als 10.000 Pro-
jekte in etwa 3000 Kommunen gefördert; auf europäischer Ebene haben sich im Rah-
men des Konvents der Bürgermeister mehr als 7.500 Kommunen dazu verpflichtet,
bis 2030 ihre THG-Emissionen um mindestens 40 Prozent zu reduzieren (BMUB
2017b) – macht eine systematische qualitative oder quantitative Analyse von Bei-
spielen und eine Ableitung kopierbarer Rezepte nahezu unmöglich.
„Entweder prüfe ich jede Maßnahme empirisch nach, und bei den Massen an Kommunen und
den Massen an Maßnahmen halte ich das für fast ausgeschlossen, dass sich jemand mal die
Mühe gemacht hat und sich jede einzelne Maßnahme vor Ort angeguckt hat, mit einem vertief-
ten Interview, mit drei bis vier Leuten gesprochen hat und auch dann noch mit den Betroffenen
gesprochen hat und das am besten nochmal statistisch ausgewertet hat. […] Das halte ich für
ausgeschlossen.“ (IB-2, 2015: 81)
Wie schon Lindblom (1959) erkannte, zeichnet sich eine Entscheidungsfindung in
der öffentlichen Verwaltung, bei Behörden und Ministerien also eben nicht durch
eine methodische Analyse und den konsequenten Vergleich der optimalen Lösungen
aus; weder mithilfe eines quantitativen noch qualitativen Ansatzes. Stattdessen ver-
läuft der Steuerungsprozess sehr viel pragmatischer und intransparenter. Dasselbe
gilt für die Identifikation und Erarbeitung guter Praxisbeispiele: Anstelle von umfas-
senden empirischen Recherchen finden auch hier „successive limited comparisons“
(Lindblom 1959: 87) statt. Man wählt also entweder Beispiele, die man schon kennt
und bei denen bereits Kontakte und Informationen vorliegen; man stößt rein zufällig
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315