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208 | Kommunen im Klimawandel
partial version of political reality.“ In Bezug auf den Entstehungs- und Auswahlpro-
zess von Best Practices muss man festhalten, dass der kritische Leser oder Beobach-
ter stets für sich selbst entscheiden muss, was in welchem konkreten Zusammenhang
für ihn oder sie eine Best Practice ist, weil eine Best Practice an sich nicht existiert;
sie wird immer erst durch unterschiedliche Akteure mit eigenen Interessen zu einer
gemacht (IN-1, 2015). Der Prozess der Qualifizierung lokaler Praxiserfahrungen als
anerkannte Best Practices involviert diverse Akteure mit multiplen polit-strategi-
schen Interessen, wobei das Adjektiv „gute“ oder „beste“ stets eine politisch konstru-
ierte Eigenschaft ist (vgl. auch Bruno 2009 zu „Benchmarking“).
Nachdem ich Herstellungsprozesse sowie zentrale Akteure nachvollziehen und
identifizieren konnte, stellt sich außerdem die Frage nach den thematischen Inhalten
und Wissensformen sogenannter Best Practice-Beispiele. Es geht mir darum aufzu-
zeigen, welches Wissen zu einer Best Climate Practice gemacht wird und wie dieses
Wissen aufbereitet wurde. Dazu beziehe ich mich hauptsächlich auf die quantitative
Auswertung von Praxisbeispielen aus Onlinedatenbanken sowie Publikationen von
Forschungsinstituten mit ministerialer Beauftragung und kommunalen Städtenetz-
werken im Klimaschutzbereich (TMNs), da sich textbasierte Best Practice-Beispiele
inhaltlich besser untersuchen lassen als mündliche Präsentationen (zum methodi-
schen Vorgehen vgl. Kapitel #Projektdesign). Ergänzend dazu greife ich auf Inter-
viewdaten und Beobachtungen zurück.
Bei den knapp 370 Best Practice-Beispielen aus drei Onlinedatenbanken, zwei
Publikationen und einer Leitfadenserie des C40-Netzwerks handelt es sich zu je etwa
einem Drittel um (1) rein technische Maßnahmen, wie z.B. Heizpumpentausch, Er-
neuerung der Heizungsanalage, energetische Sanierung auf Passivhausstandard oder
Umrüstung auf LED-Beleuchtung, (2) um Klimaschutz oder Klimaanpassungskon-
zepte sowie andere Strategien, z.B. in Bezug auf Mobilität, Tourismus etc. und (3)
um „weiche“ Maßnahmen, dazu zählen Bildungsprojekte, Kampagnen, Bürgerbetei-
ligung usw. (vgl. Anhang C). Die untersuchten Beispiele sind thematisch vielfältig
und decken damit ein recht breites Spektrum ab, was auch von verschiedenen TMN-
Vertretern und Klimaschutzmanagern bestätigt wurde.
„I’d say in general […] as much technical good practice and case studies on, for example, how
to deliver a financing model for energy efficiency in buildings, how to deliver BRT [Bus Rapid
Transit] systems. The sharing might be around best approaches or on how to involve stakehold-
ers and encourage participation of citizens.“ (IN-6, 2016: 31)
Auffällig ist aber, dass grundlegende Änderungen individuellen Verhaltens, visionäre
technische Neuerungen oder die Einführung neuer Gesetze oder Maßnahmen, die zu
Veränderungen im bestehenden Wirtschaftssystem führen, nicht durch Best Practice-
Beispiele kommuniziert werden. So ist bspw. weder Suffizienz – also ein möglichst
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315