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„Best Practice ist eine Geschichte“ | 243
Positivismus entgegenzuwirken, der dazu führt, dass wir Untersuchungen mit einem
bereits vorgefertigtem Verständnis von Kategorien wie Staat, Wirtschaft, Geschlecht
oder eben auch Klimaschutz beginnen; zweitens geht es darum, solche Kategorien
als sozial konstruiert zu verstehen und unsere Aufmerksamkeit auf die vielfältigen
Mechanismen dieser Konstruktion zu lenken; und drittens gilt es, diese Konstrukti-
onsprozesse und ihre ontologischen Effekte – das heißt, die Schaffung sozialer Rea-
lität – oder viertens deren sozialbindende Konsequenzen zu beschreiben. Beim Kon-
zept der Performativität handelt es sich also um eine wissenschaftliche Perspektive,
die sich mit „verborgenen Herstellungsleistungen sozialer Wirklichkeit“ durch all-
tägliche Praktiken beschäftigt (Berndt und Boeckler 2007: 215f.). Regierungshan-
deln wird aus dieser Perspektive zu einem performativen Set materieller und symbo-
lischer Praktiken (Blok 2011). Zwar kommt hierbei der Sprache als konstitutive Kraft
eine besondere Bedeutung zu, aber erst soziale, linguistische und körperliche Aus-
drucksformen zusammen machen eine Äußerung zu einer performativen (Butler
2010). Was Individuen tun und sagen, also aufführen, ist intrinsisch verbunden mit
den zitierenden Praktiken, die Diskurse reproduzieren und/oder verändern (Gregson
und Rose 2000). An der praktischen Verwirklichung von gesellschaftlicher Realität
sind neben dem Menschen nämlich zumeist auch unzählige „nichtmenschliche, so-
zio-technische Akteure mit handlungsgenerierenden Kompetenzen beteiligt“ (Boeck-
ler und Strüver 2011: 665).
„[…] [I]nstruments are not just discursive or cognitive constructs; they have a material exist-
ence. Instrumental knowledge of governance is embedded in and constitutive of a set of aligned
practices, skilled bodies, specifically configured tools, supportive data, and organizational in-
frastructures.“ (Voß 2016: 144)
Der Regierungstechnologie Best Practice einen performativen, wirklichkeitskonsti-
tuierenden Charakter zuzuschreiben, heißt dementsprechend anzuerkennen, dass Re-
gierungstechnologien wie Best Practices keine objektiven Instrumente sind, weil sie
aktiv an der Schaffung, Veränderung und Mobilisierung von politischer Autorität so-
wie von politischen Subjekten und Objekten, die sie adressieren, beteiligt sind. Best
Climate Practices gestalten den kommunalen Klimaschutz entscheidend mit, statt nur
zu beschrieben, welche Maßnahmen bereits erfolgreich durchgeführt wurden.
Gleichzeitig gilt es aber auch, Transformation, Veränderung und Differenz stets mit-
zudenken, denn ausgehend von einer Performativitätsperspektive tendieren Theorien,
Methoden und Modelle zwar dazu, das Phänomen, das sie beschreiben oder erklären,
erst hervorzubringen, doch sie können auch jederzeit damit scheitern und so zu unin-
tendierten Effekten führen. Oder in den Worten von Butler (2010: 152): „[…] it is
only under certain kinds of conditions, and with no degree of predictability that the-
oretical models successfully bring into being the phenomenon they describe. […]
And this means that fallibility is built into the account of performativity.“
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315