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„Best Practice ist eine Geschichte“ | 245
What becomes known as best practice may, in reality, be the manifestation of the best adver-
tising and most effective programmatic or municipal spin doctoring.“
Durch die Benennung, Wiederholung und Nacherzählung diverser Maßnahmen als
Best Practices erscheinen diese und die jeweilige Kommune als Quelle des Praxis-
beispiels als „besser“ im Vergleich zu anderen Maßnahmen und Kommunen. Durch
die Aufführung von Best Practices gegenüber anderen Kommunen, den eigenen Mit-
arbeitern und der Lokalpolitik wird ein kommunales Image als „Best Practice-Stadt“
gepflegt, also das einer innovativen und führenden Kommune (vgl. „Währungs-
Funktion“ im Kapitel #„Gebt uns gute Beispiele!“). Die Kommune mag zwar als eine
territoriale Einheit „existieren“, ihr Status als Ort mit bestimmten Eigenschaften, ei-
ner Geschichte und einem Ruf wird jedoch kontinuierlich aufgeführt und erneuert
durch Instrumente wie Best Practices.4 Gleichzeitig helfen die guten Praxisbeispiele
dabei, die kommunale Ebene als geeignetes Level der Klimagovernance zu festigen
(vgl. Cidell 2015 sowie Kapitel #Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld und
Abschnitt zur „Agenda-Setting-Funktion“ im Kapitel #„Gebt uns gute Beispiele!“).
Der performative Charakter von Best Practices macht deutlich, warum Kommunen
so interessiert sind an der Verbreitung und Nutzung von Best Practice-Beispielen und
erklärt auch, warum das Bekanntsein als „Best Practice-Kommune“ und das konti-
nuierliche Verbreiten von erfolgreichen kommunalen Praxisbeispielen wichtiger ist
für die Kommunen als die eigentliche Nutzung von Best Practices als Blaupause.
Best Practices sind also keine passiven Instrumente, die gesammelt in einer
Werkzeugkiste auf ihre Anwendung warten. Vielmehr handelt es sich um kompri-
mierte Wissenspakete, die in und durch ein soziales Netzwerk, bestehend aus ver-
schiedenen Akteuren aus Wissenschaft, Politik, Politikberatung, Verwaltung und
Wirtschaft, produziert werden. Diese Akteure kreieren durch Best Practices eine po-
lit-epistemische Kultur, indem sie eine bestimmte Realität der Governance schaffen
und inszenieren (Voß 2016): „[…] the actual role of professionals and experts in po-
licymaking is probably more prescriptive than operational. The setting of standards
of good practice is a large part of what professionalism means.“ (Anderson 1978: 24)
In Best Practices wird Wissen über Klimagovernance dadurch materialisiert und
stabilisiert, dass es in verschiedenen Formen festgehalten und eingeschrieben wird.
Damit werden sie zum wichtigen Teil der Produktionsinfrastruktur von autoritativem
Klimagovernance-Wissen (Simons 2016). Voß (2016: 129) betont daher, dass Regie-
rungstechnologien wie Best Practices nicht die Aspekte einer natürlich gegebenen
politischen Realität widerspiegeln, sondern stattdessen diese politische Realität „pro-
grammieren“:
4 Auch Orte müssen in diesem Zusammenhang als performativ verstanden werden (vgl. z.B.
Gregson und Rose 2000).
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315