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umfassenden oder gar letztgültigen Analyse sprechen zu wol
len. Vielmehr soll es darum gehen, die vorhandenen Bild und
Schriftquellen geordnet zugänglich zu machen, Fragen zu for
mulieren, neue Sichtweisen zu eröffnen, auf Lücken in Überlie
ferung und Erforschung hinzuweisen und damit eine Basis für
die notwendige weitere wissenschaftliche Bearbeitung – auch in
Hinblick auf die in Kreuzenstein verwahrten Sammlungen und
ihre Geschichte – zu legen.29
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kreuzenstein
verlangt nach unterschiedlichen Formen der Annäherung. Ausge
hend von der Faktizität und Materialität des Objekts, seinen for
malen Charakteristika ebenso wie der zeitgenössischen Rezep
tion und medialen Übersetzung soll versucht werden, die Burg
als Phänomen einer bis heute mehrfach präsenten Kultur zu ver
ankern und damit seine Aktualität deutlich zu machen : Kreuzen
stein spiegelt nicht nur das Mittelalterbild des späten 19. Jahr
hunderts wider, sondern verweist als Mausoleum, Museum und
Monument außerdem auf Begriffe und Vorstellungen von Kon
struktion, Rekonstruktion und Aktualisierung von Geschichte,
die die Epoche prägten. Als Collage oder Assemblage von Spolien,
gefundenen Relikten von Geschichte und überkommenen Frag
menten des Vergangenen steht Kreuzenstein aber auch für eine
spezifische, aus der zersplitterten Wahrnehmung der Zeit entwi
ckelte Technik des Historismus, die – wenn sie auch in einem am
bivalenten Verhältnis zu Modernisierung und Modernität steht –
in mancher Hinsicht auf Verfahren der künstlerischen Moderne
des 20. Jahrhunderts vorausweist. In Konzeption und Rezeption
ist die » Zeitmaschine « Kreuzenstein schließlich Ausdruck einer
Kultur des Spektakels und der Sensation im wörtlichen Sinn, die
heute in Themenparks und mehr noch in virtuellen Welten zwar
mit anderen Mitteln operiert, aber dieselben Reize aktiviert.
Hinsichtlich ihres methodischen Zuschnitts und Umfangs
sind die vier Kapitel dieses Buches mit Absicht unterschiedlich
gewichtet. Aufgrund ihrer spezifischen Fragestellung bilden sie in
sich abgeschlossene Einheiten, die den gemeinsamen Gegenstand
aus mehreren Richtungen betrachten. Das erste Kapitel skizziert
mit einem Blick auf die Topoi » Burg « und » Ritter « den größeren
kulturgeschichtlichen Rahmen der deutschsprachigen Mittel
alterrezeption im 19. und frühen 20. Jahrhundert, die sich nicht
zuletzt in zahlreichen parallel zu Kreuzenstein durchgeführten
Wiederaufbau und Restaurierungsprojekten mittelalterlicher
Burgen im Deutschen Reich und in Österreich Ungarn festma
chen lässt. Anschließend daran werden Baugeschichte, Architek
tur und Ausstattung von Kreuzenstein vorgestellt und analysiert.
Kapitel Drei untersucht Formen der Präsenz und Funktionen der 19
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258