Seite - 26 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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in den Gebirgsgegenden Deutschlands erblickt man Ruinen von
den Wohnungen unserer Ahnherren, einer kräftigen Menschen
race, die rauh wie die Luft, die sie umgab, auf ihren Bergen hauste.
Hoch und fest baueten diese Adler ihre Nester. Jahrhunderte zo
gen herauf, sie zerfielen, und wie Bilder aus einer Fabelwelt ste
hen für uns ihre Ruinen da. Wir blicken sie mit Staunen an, und
sie sehen finster herab in die Thäler, in welchen wir bei einander
sitzen und uns Gespenstergeschichten von ihnen erzählen ; denn
dem verweichlichten Enkel ist jede große Erscheinung gespens
tisch geworden. «44 Die Stilisierung des Ritters zum heroischen
Vorbild für die Gesellschaft der Gegenwart und die Verbindung
von geschichtlicher mit legendenhafter Überlieferung kommen
in diesen Worten ebenso zum Ausdruck wie die Rezeption der
düsteren Gemäuer als Schauplatz von Spukgeschichten und der
Eindruck des » Erhabenen «, der die Zeitgenossen beim Betrachten
der Burgen und Ruinen mit wohligem Schauer erfüllt haben mag.
Bemühungen zu einer Wiederbelebung des mittelalterlichen
Rittertums, abseits der traditionellen höfischen Ritterorden, las
sen sich bereits im späten 18. Jahrhundert feststellen. Angesto
ßen durch die frühe literarische Mittelalter
Rezeption und unter
Berufung auf selbst ausformulierte Ideale des Rittertums sowie
die von Mythen umgebenen historischen Ritterorden hatte der
Mineraloge Anton David Steiger ( 1755 – 1832 ) schon im Jahr 1790
auf Burg Seebenstein im südlichen Niederösterreich die » Wilden
steiner Ritterschaft zur blauen Erde « gegründet, einen » Verein
von Kunst und Alterthumsfreunden zur Sammlung und Erhal
tung von Denkwürdigkeiten der vaterländischen Vorzeit «.45 Die
ser Verein setzte sich aus prominenten Vertretern des österreichi
schen Kaiserhauses, der Aristokratie und des Bürgertums zusam
men und hatte » die getreue Erneuerung altritterlicher Art und
Sitte in Tracht und Rede « sowie wohltätige Zwecke zum Ziel.46
In Steigers Konzept eines modernen Ritterordens, der schließ
lich unter dem Druck Metternichs 1823 aufgelöst werden musste,
spielte Seebenstein, der Sitz des Ordens, nunmehr mit reichen
Sammlungen » deutscher Alterthümer « ausgestattet und » nicht
nur vor weiterem Verfalle geschützt, sondern sogar mit altritter
lichem Thun und Treiben neu belebt «,47 eine zentrale Rolle.
Offensichtlich unter dem Eindruck der politisch restaurati
ven Neuordnung Europas nach dem Sieg über Napoleon erschien
1814 in Nürnberg Johann Philipp Mosers Schrift » Ritterburgen
und Beiträge zur Geschichte des deutschen Adels, älterer und
neuerer Zeit «, die sich zum Ziel setzte, » des Andenkens der frü
heren Begebenheiten dieses höchstverehrlichen Standes, eines
theils zu erinnern ; andern theils, von der neuerlichen Verfassung
desselben eine kurze Uebersicht zu liefern «.48 Einen besonderen
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Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258