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scheint visuell subsumiert, was in der zweiten Jahrhunderthälfte
im deutschsprachigen Raum unter einer » Ritterburg « verstanden
wurde : Das Bauwerk liegt auf steilem Felsrücken, schwindelerre
gend hoch über einem Talabgrund, der am rechten Bildrand zu er
kennen ist. Mauern, Tore und Türme sind dramatisch über
, hin
ter und ineinander gestaffelt. Vom Torbau ist die obligatorische
Zugbrücke über einen scheinbar unendlich tiefen Abgrund ge
spannt. Auf dem befestigten Weg, der sich vom Vordergrund ins
Bild schlängelt, ist – wie könnte es anders sein – ein Ritter mit sei
nem Gefolge soeben im Begriff, in die Burg einzuziehen. Einmal
mehr verschmelzen » Ritter « und » Burg « zur » Ritterburg «, und
um idealtypisch wirken zu können, muss diese Ritterburg in star
ker Verfremdung und Überhöhung unzählige Motive anderer Bur
gen in sich aufnehmen, sodass sie zugleich an alle und an keine der
realen Burgen erinnert.83 Ein Vergleich von Bauernfeinds » Ritter
burg « mit einer Comic
Burg des 20. Jahrhunderts 〚 4 〛 macht deut
lich, wie tief unsere Vorstellung vom Mittelalter in der ( visuellen )
Kultur des 19. Jahrhunderts wurzelt.84
Wie die Burg, so fand auch das bürgerliche Bild vom mittelal
terlichen Ritter sichtbaren Ausdruck in der bildenden Kunst der
Zeit. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten Ritter
gestalten zum gängigen Motivrepertoire der Salonmalerei,85 wa
ren als » Drachentöter « aber auch zu einer verallgemeinernden
Allegorisierung des Kampfes zwischen Gut und Böse bestens
〚 4 〛 Hal Foster, Illustration aus » Prince Valiant «, 1937
34 Mittelalterbilder
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258