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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Wahrnehmung der frühesten ebenso wie der spätesten Burgen­ bauten des 19. Jahrhunderts.103 Die Einrichtung der Ritterwoh­ nung mit historischen Gegenständen, die zeitlich oder thema­ tisch mit einem » ritterlichen « Umfeld in Verbindung gebracht wurden, verband die fiktive Wohnung mit der realen Funktion als Museum, das jedoch nicht der Systematik moderner wissen­ schaftlicher Sammlungen entsprach, sondern vielmehr als » stim­ mungsvolles « bzw. » malerisches « Arrangement die Objekte in ei­ nen simulierten Nutzungs­ und Bedeutungszusammenhang zu bringen versuchte. Die Inszenierung von Museumsinterieurs als vollständig eingerichtete Wohnräume, wie wir sie vor allem aus den kulturgeschichtlichen Museen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kennen, lässt sich so auch bis zu den frühen Bur­ genbauten der Romantik zurückverfolgen, deren museale Prä­ sentation unter dem Zeichen einer Wiederherstellung der Ver­ gangenheit von der Fiktion einer intakten Funktion bestimmt gewesen war.104 Schon diese frühen Burgen waren aber nicht bloß als temporäre Wohnung des Ritters konzipiert : Über den Tod hinaus sollte der Ritter in der Burg anwesend sein, weshalb sein Grab – und in einem weiteren Schritt das Grabmal des Bauherrn und seiner Familie – zu einem wesentlichen Bestandteil der Burg wurde. Indem sie Woh­ nung und Grab des Ritters enthielt, war die Burg somit zugleich Mausoleum, Museum und damit Monument des Mittelalters und des Rittertums schlechthin – wobei sich » Ritter « und » Rittertum « wiederum dazu eigneten, als Chiffren für den Bauherrn und seine Familie, für » Volk « oder » Nation « zu fungieren. Museum, Mauso­ leum und Monument – das sind die primären neuen, nur im Kon­ text der Moderne möglichen Funktionen der Burg des 19. Jahrhun­ derts, und sie sind auch für Kreuzenstein konstitutiv.105 Die historisch bedingte Funktionslosigkeit der Burg in der Moderne war eine wesentliche Voraussetzung für ihre Ausstat­ tung mit neuen Bedeutungsebenen. Um sie für die Gegenwart zu­ gänglich, handlich zu machen, musste die Burg zunächst in einen räumlichen Kontext gebracht werden, der ihrer Konsumation zu­ träglich war : Erst durch die Übertragung der mittelalterlichen Burg in den Landschaftspark wurde sie als isoliertes, aus dem ur­ sprünglichen Zusammenhang gelöstes Objekt und Bild verfügbar. Die späteren Burgenrekonstruktionen – Kreuzenstein nicht aus­ genommen – sind allesamt Früchte dieses für das Verständnis der Burg im 19. und 20. Jahrhundert grundlegenden Prozesses und mit den Staffagebauten in den Gärten des späten 18. Jahrhunderts enger verwandt, als mit jenen mittelalterlichen Vorgängern, auf die sie sich bildhaft zu berufen scheinen. Die Burgen des 19. Jahr­ hunderts sind also im Grunde gar keine Burgen mehr. 42 Mittelalterbilder
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und BauhĂĽtte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. AuĂźenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. FrĂĽhe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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