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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Franzensburg nicht auszumachen – im Lauf der Jahrzehnte lös­ ten vielmehr auch hier unterschiedliche Vorstellungen von Mit­ telalter einander ab, und bis zum Tod des kaiserlichen Bauherrn wurde an Erweiterungsplänen gearbeitet. Die Franzensburg ist formal und inhaltlich modular konzipiert, indem mit neuen Bau­ teilen stets auch neue inhaltliche Aspekte zum Tragen kamen. Aus einem Gartenhaus mit der Wohnung eines anonymen Rit­ ters wurde so am Ende ein habsburgisch­ lothringischer Memori­ albau.114 In unserem Zusammenhang ist die Franzensburg nicht zuletzt deshalb von größter Bedeutung, weil sie in inhaltlicher, formaler und methodischer Hinsicht als der wichtigste Vorläufer von Kreuzenstein gelten kann. In weitaus größerem Umfang als etwa in Strawberry Hill oder Kassel wurde die Franzensburg nämlich förmlich aus den disiecta membra anderer Bauten zuammengefügt, die aus Schlössern, Burgen und aufgelassenen Klöstern im ganzen Reich stamm­ ten.115 Über den schieren materiellen Nutzen der Verwendung von Spolien hinaus handelte es sich dabei zum Großteil um his­ torisch oder künstlerisch bedeutungsvolle Relikte, deren Prove­ nienz nicht vergessen, sondern vielmehr durch die Erinnerung an den ursprünglichen Kontext tradiert wurde. Der Bau wurde da­ mit zum quasi­ religiösen » Reliquiar « : » Durch die Berührung mit dem Original, der als traditionsmächtig­ magisch angesehenen Geschichte, erhielt die Gegenwart gleichsam eine neue Strahl­ kraft und Legitimation. «116 Die Innenräume wurden zunächst als fiktive » Ritter­ Woh­ nung « gestaltet, wobei die Raumfunktionen – Waffenkammer, Thronsaal, Speisesaal, Silberkammer, Schlafzimmer etc. – weni­ ger mittelalterlichen Gepflogenheiten entsprachen, als vielmehr zeitgenössischen höfisch­ aristokratischen Wohnvorstellungen. Der aus mittelalterlichen und renaissancezeitlichen Fragmen­ ten zusammengesetzte Empfangssaal war Kaiser Maximilian I. gewidmet und enthielt neben einem gemalten Fries mit Tur­ nierdarstellungen mehrere Porträtreliefs des Kaisers und sei­ ner Gemahlinnen in den Supraporten.117 〚 14 〛 Doch auch des le­ gendären Templerordens wurde an zentraler Stelle gedacht : Der große Turm besitzt im Erdgeschoß ein Verlies für einen Tempel­ ritter, der dort als mechanische Puppe in Lebensgröße bis heute bei Bedarf mit den Ketten rasselt ; darüber wurde ein » Rittersaal « für die – fiktiven – Zusammenkünfte der neuen Tempelritter an­ gelegt.118 Die Franzensburg wurde nie bewohnt, aber von der kai­ serlichen Familie häufig besucht, und war von Beginn an als » Mu­ seum altdeutscher Denkmäler « öffentlich zugänglich. Bis 1804 wurde die imaginäre mittelalterliche Welt der Fran­ zensburg um einen in dieser Form einzigartigen » Rittergau « mit 46 Mittelalterbilder
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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