Seite - 63 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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nun die Schulungszentren der NSDAP, wo in der Atmosphäre
eines modernisierten » germanischen « Mittelalters dem neuen,
rassisch vermeintlich überlegenen Rittergeschlecht die Politik
der Menschenverachtung gelehrt wurde.189 Wie beim » Banner
träger « Lanzingers werden auch hier fatale Kontinuitäten sicht
bar : Der Mythos vom » deutschen « Mittelalter, vom » deutschen «
Ritter und den » deutschen « Burgen entstand im 19. Jahrhundert
nicht zuletzt auch als – schon damals oft nationalistisch gefärb
tes – Narrativ einer um historische Rückversicherung besorgten
Gesellschaft. Nach den Erschütterungen des Ersten Weltkriegs
und verstärkt durch die Erfahrungen der Weltwirtschafts
krise waren hier denkbar günstige Voraussetzungen für eine
Vereinnahmung durch totalitäre Ideologien gegeben. Die völ
kisch rassistische Interpretation von Burg und Ritter durch die
Nationalsozialisten hat Vorläufer im Nationalismus des späten
Deutschen Kaiserreichs und geht letztlich » bis in die Frühzeit
der romantischen und nationalen Bewegung zurück «.190
Es ist daher auch nur konsequent, wenn Burgenforscher wie
Bodo Ebhardt nach 1933 den neuen Machthabern zu Diensten wa
ren – für die » Rekonstruktion « der Burg Trifels und ihren groß
zügigen Ausbau zu einer » nationalen Weihestätte « des » Drit
ten Reiches « legte Ebhardt 1938 detaillierte Pläne vor, die er mit
denkmalpflegerischen Argumenten zu legitimieren versuchte.191
Zwischen 1939 und 1966 wurde Trifels, das als Aufbewahrungsort
der Reichskleinodien für die Nationalsozialisten große symboli
sche Bedeutung hatte, durch Rudolf Esterer ( 1879 – 1965 ) weitge
hend neu errichtet.192
Dass die große Zeit der Burgen dabei bereits lange vor ihrer vorerst
letzten umfassenden Wiederbelebung und Neudeutung durch die
Nationalsozialisten vorbei und das Thema historisch » erledigt «
war, hatte Alois Riegl schon um 1900 festgestellt. Im Rahmen ei
ner umfassenden Kritik des Denkmalbegriffs Georg Dehios und
der kulturgeschichtlich determinierten Restaurierungspraxis
Bodo Ebhardts kam er 1905 zu einem Schluss, der es in diesem
Kontext verdient, in extenso zitiert zu werden – auch aus dem
Grund, weil Riegl dabei nicht nur die Burgenbauten Ebhardts, son
dern womöglich implizit auch die neu erbaute Burg des auch in
denkmalpflegerischen Belangen einflussreichen Grafen Wilczek
im Visier hatte, den offen zu beleidigen der Generalkonservator
der k. k. Zentralkommission wohl nie gewagt hätte. Den moder
nen Burgenbau nämlich entlarvt Riegl – äußerst hellsichtig und
nicht ohne Ironie – als eine hoffnungslos veraltete Übung, die von
der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Gegenwart längst einge
holt worden sei : 63Die
Burg am Ende
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258